Brennendes Land
Parkash zu merken. Oscar wusste jedoch, dass er sich die Namen, Gesichter und Dossiers des Personals in kurzer Zeit einprägen würde. Das war beinahe schon eine Obsession. Er konnte einfach nichts dagegen machen.
Ihr Führer entfernte sich Richtung Veterinär-Verwaltungszentrum, begierig darauf, wieder in sein enges, schmutziges kleines Büro zurückzukehren. Oscar winkte ihm lächelnd zum Abschied.
Parkash rief ihm noch etwas zu. »In der Nähe liegt eine ausgezeichnete Weinbar! Gegenüber dem Fließ-NMR und dem Gerätelager!«
»Danke für die Empfehlung! Vielen Dank!« Oscar machte auf dem Absatz kehrt und wandte sich zur nächsten Baumgruppe. Pelicanos folgte ihm eilig.
Bald darauf befanden sie sich in der Deckung der Bäume. Oscar und Pelicanos folgten einem gewundenen, morastigen, mit Torfmoos bewachsenen Pfad, der durch einen zusammengestoppelten Dschungel führte. Das Labor verfügte über riesige botanische Gärten – darunter sogar kleinere Wälder – mit seltenen Exemplaren. Mit vom Aussterben bedrohten Exemplaren. Die aus einer Umwelt stammten, die auf Grund der Klimaveränderung, des ansteigenden Meeresspiegels und der mit einer Weltbevölkerung von 8,1 Milliarden Menschen einhergehenden Verstädterung längst ausgestorben war.
Die Pflanzen und Tiere waren allesamt geklont. In den Tiefen der festungsartigen Keller des dem Laboratorium zugehörigen Zentrums für den Schutz des Genoms lagerten Zehntausende genetischer Proben, die man aus allen Erdteilen zusammengetragen hatte. Die kostbare DNS wurde in funkelnden Kolben mit flüssigem Stickstoff gelagert, sicher verwahrt in einem bürokratischen Labyrinth endloser, von Maschinen angelegten Kalksteingewölben.
Hin und wieder hielt man es für ratsam, ein paar Proben aufzutauen und ausgewachsene Organismen heranzuzüchten. Auf diese Weise vergewisserte man sich, dass die genetischen Daten noch nutzbar waren. Die entstandenen Lebewesen waren zumeist auch recht fotogen. Die Klone waren bei der Öffentlichkeitsarbeit von Nutzen. Jetzt, da die Biotechnik das hermetische Reich der Geheimwissenschaft verlassen hatte und industriell nutzbar gemacht wurde, war der Zoo des Labors beste Werbung.
Die riesigen unterirdischen Gewölbe standen bei den Opfern des hiesigen Tourismus stets ganz oben auf der Besucherliste, Oscar jedoch hatte die kafkaeske Enge als bedrückend empfunden. Der Dschungel hingegen gefiel ihm. Natürliche Wildnis langweilte ihn zumeist, doch diese rationale, urbanisierte Taschenausgabe von Natur übte den Reiz des Modernen aus. Die stubenreinen Gewächse mit ihren Saftsammlern und Hormonspendern funkelten wie Weihnachtsbäume. Bäume und Büsche badeten wie betrunkene Touristen im Licht der Pflanzenstrahler.
Der taschengerechten Karte zufolge befanden Oscar und Pelicanos sich nun in einem Mischdschungel, der an das Veterinärtechnische Labor, das Labor für Atmosphärenchemie, das Veterinär-Verwaltungszentrum und ein ganz spezielles Gebäude grenzte, das für die Müllverarbeitung zuständig war. Keines dieser weitläufigen Gebäude war aus dem Innern des eingetopften Waldes hervor zu sehen – die brutalen, festungsartigen Türme des Hochsicherheitstrakts natürlich ausgenommen. Dieser gigantische Sperrbezirk bildete den zentralen Stützpfeiler der Kuppelanlage. Die glasierten zylindrischen Gebilde waren von jeder Stelle innerhalb der Kuppel aus zu sehen und glänzten, als bestünden sie aus edlem Porzellan.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es in dem künstlichen Wald Abhörvorrichtungen gab, war eher als gering zu veranschlagen. Solange sie in Bewegung blieben, konnten sie sich ungestört unterhalten.
»Ich habe schon befürchtet, wir würden diesen Widerling überhaupt nicht mehr los«, meinte Pelicanos.
»Möchtest du mir etwas sagen, Yosh?«
Pelicanos seufzte. »Ich möchte wissen, wann wir wieder zurückfahren.«
Oscar lächelte. »Wir sind doch gerade erst angekommen. Magst du die Texaner nicht? Sie sind jedenfalls sehr zuvorkommend.«
»Oscar, du hast zwölf Leute mitgebracht. Die haben nicht genug Schlafgelegenheiten hier.«
»Aber ich brauche zwölf Leute. Ich brauche mein ganzes Team. Ich möchte mir alle Optionen offen halten.«
Pelicanos knurrte überrascht, als ein stachliges Tier mit Hufen – vielleicht eine Art Tapir? – den Weg querte. Seltene Tiere wie Erdferkel oder Zebus liefen auf dem Gelände frei herum. Zumeist tappten sie wie unter Drogen stehende heilige Kühe friedlich auf den Straßen und in den
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