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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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archaischen und brutalen Vorgehensweise herabgelassen hätte. Tatsächlich stärkte der Mordanschlag Hueys Position – und dies ließ er die Louisianer und vor allem die Regulatorenhierarchie spüren. Die Louisianer hatten natürlich das größte Interesse daran, ihren Anführer, der in Verfolgung seines Ehrgeizes den Bundesstaat in eine hoffnungslose Auseinandersetzung mit der ganzen Union verwickelt hatte, zu töten. Zumal die Regulatoren – Hueys liebste Sündenböcke – blickten düster in die Zukunft, da sie mit der Rache der Unionsregierung zu rechnen hatten. Die Regulatoren außerhalb Louisianas – und davon gab es viele – spürten, woher der Wind wehte, und flüchteten sich scharenweise in die Quasi-Legitimität des ZNL des Präsidenten. Huey hatte eine Menge für die Prolos getan, er hatte sie zu einem Machtfaktor gemacht, mit dem man rechnen musste – doch selbst die Prolos verstanden die Gesetze der Machtpolitik. Weshalb sollten sie zusammen mit dem Gouverneur untergehen, wenn sie mit dem Präsidenten zu neuen Höhen aufsteigen konnten?
    Der Raketenangriff hatte eine bedeutsame und dauerhafte Folgewirkung. Er rüttelte das Laboratorium aus seiner eingebildeten Hilflosigkeit wach. Mittlerweile war es für jedermann offensichtlich, dass Krieg herrschte. Die schwarze Farbe war der erste Schuss gewesen, und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass Buna tatsächlich mit Giftgas angegriffen werden würde. Die Aussicht, inmitten von durchgedrehten Nachbarn einen unheimlichen schwarzen Nebel einzuatmen, hatte zahlreichen Leuten auf wundersame Weise die Augen geöffnet.
    Das Labor war luftdicht. Gas vermochte ihm nichts auszumachen; doch es konnte nicht alle aufnehmen.
    Die naheliegende Lösung bestand darin, einen architektonischen Ausweg zu suchen. Man musste den Schutz auf die ganze Stadt ausweiten.
    Sogleich wurden Baupläne entstaubt. Geld und Besitzrechte stellten auf einmal kein Problem mehr dar. Einheimische, Wanderarbeiter, Soldaten, Wissenschaftler, Moderatoren, Männer, Frauen und Kinder, alle wurden hinzugezogen.
    Alle diese Gruppierungen hatten eine eigene Vorstellung davon, wie man das Problem angehen sollte. Die Moderatorenzigeuner verstanden etwas von Zirkus- und Indianerzelten. Die Einwohner von Buna kannten sich mit Bio-Gewächshäusern aus. Die für Katastrophenhilfe ausgebildeten Soldaten waren Experten für Sandsäcke, Nissenhütten, Suppenküchen, Latrinen und die Gewinnung von Trinkwasser. Die Techniker des Labors wiederum steigerten sich über Alcott Bambakias’ Plänen in eine seltsame Raserei hinein. Die Wissenschaftler nahmen die Sicherheit, welche ihnen die gepanzerte Kuppel bot, seit jeher als selbstverständlich hin, wären aber niemals auf den Gedanken gekommen, dass sich die harte Substanz ihres Behältnisses durch billige, smarte und grenzenlos dehnbare Netzwerke ersetzen ließe. Dies war luftdichte Eintagsarchitektur: Strukturen wie taubenetzte Spinnweben: smart, hypersensitiv, stets rechnend, stets auf dem Sprung. Offenbar gab es für die Größe keinerlei Begrenzung. Die Kuppel würde aus einer Art lebender Flüssigkeit bestehen, aus einer Art dezentraler, membranenartiger Amöbe.
    Der vernünftige Weg wäre gewesen, die Alternativen sorgsam abzuwägen, Sicherheitsanhörungen abzuhalten, verschiedene Angebote einzuholen und schließlich eine größere Baufirma mit dem Projekt zu beauftragen. Die Bürgermeisterin von Buna, eine wohlmeinende Frau mittleren Alters, die eine Menge Geld in der Gewächshaus-Blumenzucht verdient hatte, unternahm einen ernsthaften Versuch, die ›Kontrolle zu übernehmen‹.
    Dann schlugen zwei weitere Farbbomben ein. Diese waren besser gezielt. Sie trafen unmittelbar das Labor – es bot ein großes Ziel – und beschmutzten den Glashimmel mit schwarzem Dreck. Im Kuppelinnern wurde es dunkel, die Temperatur sank, Pflanzen und Tiere hatten zu leiden, und die Menschen waren aufgebracht und wütend. Dieser direkte Affront hatte zur Folge, dass der Widerstandswille drastisch gestärkt wurde. Jetzt waren sie persönlich betroffen – die üble Substanz dräute über ihren Köpfen.
    Die Diskussionen verstummten. Der Worte waren genug gewechselt, und die Entscheidung war eine vollendete Tatsache. Alle gaben gleichzeitig ihr Bestes. Alle anderen Tätigkeiten stellten sie ein. Überschnitten sich einzelne Projekte oder gerieten sie in Konflikt miteinander, wurde das unbedeutendere eingestellt und das ehrgeizigere gebaut. Die Stadt Buna hörte in ihrer

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