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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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hatte den Gipfel seiner Beliebtheit erreicht. Der Beweis dafür wurde erbracht, als man den Präsidenten zu dem Sexskandal befragte – und zu Oscars Rolle im NSR. Hier bot sich dem Präsidenten eine gute Gelegenheit, ihn fallenzulassen und still und leise an die Sumpfkrabben zu verfüttern; der Präsident aber entschied sich anders. Der Präsident erklärte – durchaus zutreffend –, man könne einem Menschen keinen Vorwurf daraus machen, dass er das illegale Produkt einer südamerikanischen Genmafia sei. Der Präsident sagte, er fände es heuchlerisch, das sexuelle Verhalten eines solchen Menschen nach kleinkarierten Maßstäben zu bewerten – zumal in Anbetracht der Tatsache, dass andere Personen des öffentlichen Lebens sich bewusst dafür entschieden hätten, ihr Gehirn manipulieren zu lassen. Des weiteren erklärte der Präsident, er selbst sei ›ein Mensch‹. Und ›als Mensch‹ schlüge es ihm ›auf den Magen‹, wenn er mitansehen müsse, wie ein Liebespaar verfolgt werde.
    Daraufhin wandte sich die Pressekonferenz dem heißeren Thema des Hollandkrieges zu, wenngleich die Bemerkung des Präsidenten sehr gut aufgenommen wurde. Gewisse Bevölkerungsgruppen zeigten sich zunehmend besorgt wegen seiner gewalttätigen Außenpolitik und der unerbittlichen Verfolgung inländischer Gegner. Dass er nun auf einmal einen sentimentalen weichen Kern enthüllte, war ein ausgezeichneter taktischer Schachzug.
    Oscar war am Höhepunkt seiner Laufbahn angelangt. Der Präsident hatte öffentlich die Oscar-Karte ausgespielt. Im Nachhinein machte Oscar sich klar, was das bedeutete. Es bedeutete, dass er verbrannt war. Er hatte seinen großen Moment in dieser Pokerrunde gehabt, er war wie ein kleiner Trumpf auf den grünen Tisch geworfen worden. Ein zweites Mal ausgespielt, würde die Wirkung verpuffen. Es war an der Zeit, sich wieder ins hintere Glied einzureihen.
    Also: bis hierher und nicht weiter. Das hatte ihm der vernichtende Subtext der Präsidentenerklärung klar gemacht. Er war nützlich, er war sogar schlau; auf einer tieferen Ebene aber misstraute man ihm. Er würde niemals zu einer Säule des amerikanischen Staates werden.
    In Buna spielte Oscar eine immer kleinere Rolle. Er war Agitator, Initiator und graue Eminenz gewesen, doch er konnte niemals König werden. Greta hingegen konnte ihren Ruf nun gewinnbringend nutzen. Sie hatte die Öffentlichkeit um Hilfe und Beistand ersucht, und wie der Schlachtruf ›Auf die Barrikaden!‹ hatte der Aufruf eine Welle nationaler Hilfsbereitschaft zur Folge. Bomben hin oder her, Huey hin oder her, Präsident hin oder her, Buna entwickelte sich zu einer Gewächshausmetropole. Der Ort zog alle möglichen Träumer, Phantasten, Studenten ohne Abschluss, erfolglose Techniker und ausgemusterten Ausschuss an; Gurus, kostümierte Irre, verrückte Theoretiker und Wanzensammler; Mikroskopgucker, Modellraketenbauer und urige Simulanten; codevernarrte Hacker, Innenarchitekten; kurzum alle, die aufgrund der perversen gesellschaftlichen Forderung, ihre eigenwilligen Vorstellungen müssten kommerziell verwertbar sein, irgendwann einmal herabgesetzt, abgelehnt und ausgeschlossen worden waren.
    Wenn all dieser Abschaum sich an einem Ort versammelte, war zu erwarten, dass es zu einem kleineren Erdbeben kam. Einige der Neuankömmlinge waren miteinander verfeindet. Brandstifter fackelten den städtischen Grüngürtel ab; die saftigen Pinien brannten wie Leuchtkugeln, und eine abscheuliche Qualmwolke verpestete meilenweit die texanische Luft. Als aber die Flammen erloschen, rückte die neue Gesellschaft auf das verkohlte Gelände vor und nahm es vollständig in Besitz. Die Mahltrichter der Biohacker konnten teilweise verbrannte Bäume leichter verarbeiten. Die Asche enthielt wertvolle Mineralien. Ein versengter, verkohlter Wald war ein natürliches Phönix-Nest für die erste wahre Gewächshausgesellschaft der Welt.

12
     
    Die US-Marine erreichte die Küste der Niederlande. Der Krieg erreichte einen kritischen Punkt. Um sich zu beschäftigen, blockierte die amerikanische Armada die Häfen von Rotterdam und Amsterdam. Da große Teile dieser Städte bereits unter Wasser standen, stellte die Blockade eine ernsthafte wirtschaftliche Bedrohung dar.
    Viel mehr gab es für die Marine allerdings nicht zu tun. Sie hatte keine Landetruppen und keine Panzer mitgebracht, welche die Niederlande hätten erobern können. Die Kriegsschiffe verfügten über Geschütze mit großer Reichweite, mit denen sie

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