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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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verfehlte die Kuppel und traf den Westrand von Buna. Ein Stadtbezirk von der vierfachen Größe eines Football-Feldes wurde mit einer schwarzen Substanz verseucht. Die Ankunft der Bio-Rakete und die Explosion verliefen völlig lautlos. Erst um drei Uhr früh stellte ein im Aufbruch begriffenes deutsches Filmteam, das in einer Pension untergekommen war, fest, dass Straßen, Dächer und Fenster mit einer feinpudrigen schwarzen Substanz bedeckt waren.
    Dies löste eine allgemeine Panik aus. Über die in Washington gefangen gehaltenen Haitianer war in letzter Zeit ausführlich berichtet worden. Auch den Gasangriff auf die Luftwaffenbasis hatte man nicht vergessen. Die Neuigkeiten aus dem Kriegsausschuss des Labors waren natürlich augenblicklich in die Öffentlichkeit durchgesickert – nicht offiziell, sondern als Gerücht. Mit den schwarzen Manifestationen ihrer tiefsten Ängste konfrontiert, verloren die Einwohner von Buna den Verstand. Von Juckreiz, Hautbrennen, Ohnmachtsanfällen und Krämpfen wurde berichtet. Viele der Betroffenen behaupteten, an Bewusstseinsspaltung zu leiden, das zweite Gesicht zu haben oder gar telepathische Fähigkeiten zu besitzen.
    Eine mutige, mit Atemmasken ausgerüstete Gruppe von Laborbewohnern eilte an den Ort des Gasangriffs. Sie nahmen Proben und kehrten anschließend zurück, wobei sie sich nur mit Mühe durch die panische Menschenmenge, die sich im luftdichten Labor in Sicherheit bringen wollte, hindurchzuzwängen vermochten. An den Toren kam es zu hässlichen Szenen; Familien wurden im Gedränge getrennt, Frauen hielten ihre Kinder hoch und bettelten um Gnade und Einlass.
    Um zehn Uhr morgens lag das Untersuchungsergebnis vor. Bei der schwarzen Substanz handelte es sich um Farbe, um ein ungiftiges, schwer entfernbares, ätzendes Polymer, eingeschlossen in Gelatinekügelchen. Von einem psychotropen Reagenz konnte nicht die Rede sein. Die Panik der Stadtbevölkerung war auf Massenhysterie zurückzuführen gewesen. Bei dem Projektil hatte es sich lediglich um einen mit Farbe gefüllten Versuchsballon gehandelt, um einen Warnschuss voll düsteren Humors.
    Der Vorstoß des ZNL über die Grenze von Louisiana wurde abgeblasen, denn die Raketenwerfer waren verlegt worden. Schlimmer noch, auf einmal waren zwanzig neue Raketenwerferattrappen aufgetaucht; auf Farmen, in kleinen Städten, auf Shrimplaster montiert, über ganz Louisiana verteilt.
    Obwohl die wissenschaftliche Analyse ergeben hatte, dass der Sprengkopf Farbe enthalten hatte, weigerte sich ein großer Teil der Bevölkerung, dies zu glauben. Unionsregierung wie bundesstaatliche Behörden verkündeten gleichlautend, es handele sich um Farbe; auch der Stadtrat bezog Stellung, doch die Leute wollten sich einfach nicht damit abfinden. Die Menschen waren paranoid und verängstigt – viele aber hatte der Vorfall auch in eine eigenartige Hochstimmung versetzt.
    In den folgenden Tagen entwickelte sich ein florierender Graumarkt für Proben der Farbe, die sich in Windeseile übers ganze Land verteilten und den Leichtgläubigen in kleinen Plastikdöschen verkauft wurden. Hunderte von Menschen begaben sich spontan nach Buna, wo sie die Farbe sorgfältig zusammenkratzten und durch die Nase einsogen. Bald wurden der Substanz Wunderheilungen zugeschrieben. Die Menschen schrieben dem Gouverneur von Louisiana offene Briefe und flehten ihn an, ihre Städte mit dem ›Befreiungsgas‹ zu bombardieren.
    Huey stritt ab, von Raketen in Louisiana etwas zu wissen. Er leugnete kategorisch, etwas mit der schwarzen Farbe zu tun zu haben. Er machte sich über die Mätzchen der verängstigten Bevölkerung lustig – wozu nicht viel nötig war – und meinte, dies beweise, dass die Regierung die Lage nicht mehr unter Kontrolle habe. Die beiden Senatoren Hueys waren beide aus dem Senat, der so zielstrebig vorging wie seit Jahren nicht mehr, ausgeschlossen worden; dies versetzte Huey jedoch in die Lage, bezüglich Washington seine Hände in Unschuld zu waschen.
    Hueys Stimmung verdüsterte sich nach dem Raketenangriff erheblich. Einer seiner Gefolgsleute platzierte eine mit Sprengstoff gefüllte Aktentasche im Parlamentsgebäude. Huey brach sich bei der Explosion den Arm, zwei der Senatoren wurden getötet. Dies war bei weitem nicht der erste Anschlag auf Hueys Leben. Keiner aber hatte sein Ziel so knapp verfehlt.
    Natürlich wurde der Präsident verdächtigt, hinter dem Anschlag zu stecken. Oscar bezweifelte sehr, dass sich der Präsident zu einer solch

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