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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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perfekt. Nichts Technisches ist je perfekt. Es geht hier um etwas ganz Reales. Es beschleunigt den Herzschlag – der Chip muss ein bisschen höher getaktet werden. Und es ist wirklich Multitasking, also haken manche Operationen bisweilen… Während andere plötzlich an die Oberfläche gelangen… Und hin und wieder fahren sich zwei simultane Gedankenströme einfach fest; dann bleiben Sie an dem Punkt stehen und müssen den Arbeitsspeicher löschen. Aber wenn Sie sich eine ordentliche Kopfnuss verpassen, dann booten Sie gleich wieder.«
    »Ah, ja.«
    »Glauben Sie mir, ich rede wirklich offen mit Ihnen. Das ist kein dummes Zeug, sondern ich sage, was Sache ist. Klar, Sie haben gewisse Sprachprobleme und neigen dazu, vor sich hinzumurmeln. Aber, mein Sohn… Sie sind doppelt so tüchtig wie zuvor! Sie können zweisprachig denken! Wenn Sie dran arbeiten, können Sie mit Ihren beiden Händen erstaunliche Dinge gleichzeitig tun. Und am besten ist, wenn Sie zweigleisig denken und die Züge fangen an, Fahrgäste auszutauschen. Darum geht’s doch überhaupt bei der Intuition – dass man etwas weiß, ohne zu wissen, dass man’s weiß. Das hat was mit dem Unbewussten zu tun – mit Gedanken, von denen man nichts weiß. Aber wenn man wirklich Nägel mit Köpfen macht und über zwei Dinge gleichzeitig nachdenkt – dann verlaufen die Vorstellungen ineinander. Sie vermischen sich. Sie befruchten einander. Sie tragen wahrhaft reiche Frucht. Das ist Inspiration. Das ist die schönste geistige Regung, derer Sie überhaupt fähig sind. Das einzige Problem dabei ist, dass die Gedanken bisweilen so großartig sind, dass Sie leichte Probleme mit der Selbstbeherrschung bekommen.«
    »Ja, das mit der Selbstbeherrschung ist mir bereits aufgefallen.«
    »Nun, mein Sohn, die meisten Menschen stellen ihr Licht unter den Scheffel und handeln niemals impulsiv. Deshalb landen sie am Ende ja auch in Gräbern ohne Grabstein. Ein richtiger Spieler zeigt Initiative, er ist ein Mann der Tat. Ja, klar, ich geb’s zu: das mit der Impulsivität ist eine zweischneidige Angelegenheit. Deshalb braucht ein großer Spieler gute Berater. Und wenn Sie keinen spitzenmäßigen, mit allen Wassern gewaschenen politischen Berater haben, dann können Sie die Rolle vielleicht selber übernehmen.«
    »Heeeey!« schrie Kevin. Huey hatte er abgeschrieben; jetzt wandte er sich plötzlich an die unter dem Balkon versammelte Menschenmenge. »Hey, Leute ! Euer Gouverneur hat den Verstand verloren! Er will euch vergiften und alle in verrückte Zombies verwandeln!«
    Die Bodyguards packten Kevins gefesselte Arme und prügelte auf ihn ein.
    »Ich werde gefoltert!« schrie Kevin. »Die Cops foltern mich!«
    Huey drehte sich um. »Verflucht noch mal, Boozoo, schlag ihn doch nicht in der Öffentlichkeit! Bring ihn erst nach drinnen. Und du, Zach, hör auf, jedesmal deine verdammten Fäuste einzusetzen. Nimm den Totschläger. Dafür ist er schließlich da.«
    Obwohl er gefesselt war, gab Kevin sich nicht so leicht geschlagen. Er wirbelte auf der Stelle herum, hüpfte auf und ab. Sein Geheul nutzte ihm wenig, denn die Menge war von den Kopfhörern in Beschlag genommen. Doch es tanzten nicht alle, und einige blickten zum Balkon hoch.
    Boozoo holte den Totschläger hervor. Kevin trat unbeholfen nach ihm. Boozoo wich einen Schritt zurück, stolperte über den Fuß eines anderen Aufpassers, verfing sich plötzlich in den Beinen eines weißen Balkonstuhls aus Metall. Er fiel nach hinten, schlug mit voller Wucht auf dem Boden auf. Der zweite Bodyguard wollte vorspringen, kam jedoch dem um sich schlagenden Boozoo in die Quere, stürzte auf die Knie und heulte auf.
    »Ach, Scheiße«, grummelte Huey. Er zog eine verchromte Automatikpistole unter dem Jackett hervor und schoss geistesabwesend auf Kevin. In die Brust getroffen, wurde Kevin rückwärts geschleudert, krachte gegen das Geländer und stürzte in die Tiefe.
    Huey trat verdutzt ans Geländer, verdrehte den Kopf und blickte nach unten. Die Pistole funkelte noch immer in seiner Hand. Die Feiernden sahen die Pistole und spritzten entsetzt auseinander.
    »O je«, stöhnte der Gouverneur.
     
    »Ich weiß immer noch nicht, was ich mit ihm anfangen soll«, sagte der Präsident. »Er hat am helllichten Tag vor tausend Augenzeugen einen Menschen ermordet, aber er hat immer noch Anhänger. Am liebsten würde ich ihn ja einsperren, aber… na ja. Wir haben so viele Leute durchs Gefängsnissystem durchgeschleust, das ist eine bedeutende

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