Brennendes Land
wissenschaftlichen Gemeinde verteilt. Damals gab es keine Almosen seitens des Kongresses im Austausch gegen innenpolitische Vorteile. Heutzutage verbringen die Wissenschaftler vierzig Prozent ihrer Zeit damit, um die Fleischtöpfe herumzuschleichen. In der guten alten Zeit war das wissenschaftliche Leben sehr direkt. Die gleiche Person, die Mittel bewilligte, packte auch selber mit an und brachte ihre eigenen Ergebnisse zu Papier. Wissenschaft war ein richtiges Handwerk. Veröffentlichungen wurden von drei, vier Coautoren verfasst – nicht von riesigen Gruppen, denen sechzig bis achtzig Leute angehören, wie es heute die Regel ist.«
»Also geht es vor allem ums Geld«, sagte Oscar schmeichelnd.
Sie beugte sich energisch vor. »Nein, das Problem liegt viel tiefer. Die Wissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts war vollkommen anders organisiert. Es herrschte Einverständnis zwischen Regierung und Wissenschaftsgemeinde. Eine Art Frontmentalität. Das war die Zeit des Goldrauschs. Die Nationale Wissenschaftsstiftung. Die nationale Gesundheitsbehörde. Die NASA. Die ARPA, zuständig für Zukunftstechnologien. Und die Wissenschaftsbehörden hielten ihre Ideale hoch. Wundermedikamente, Kunststoffe, neue Industrien… die Menschen sind zum Mond geflogen, ganz wörtlich genommen!«
Oscar nickte. »Sie haben wahre Wunder bewirkt«, sagte er. »Das klingt nach kontinuierlicher Arbeit.«
»Klar, damals gab es sichere Jobs«, sagte Greta. »Der Besitzstand war gewahrt. Kennen Sie überhaupt den veralteten Ausdruck ›Besitzstand‹?«
»Nein«, sagte Oscar.
»Es war zu schön, um von Dauer zu sein«, meinte Greta. »Die Unionsregierung kontrollierte das Budget, aber das Wissen ist global. Denken Sie bloß mal ans Internet – anfangs war das ein rein wissenschaftliches Netzwerk, dann aber ist es explodiert. Heutzutage können sich Stämme in der Serengeti unmittelbar über chinesische Satelliten einloggen.«
»Dann war es mit dem Goldenen Zeitalter also vorbei, als der Kalte Krieg endete?« fragte Oscar.
Greta nickte. »Als wir gesiegt hatten, wollte der Kongress die amerikanische Wissenschaft auf nationale Konkurrenz ausrichten, um uns fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Das aber war nicht gut für uns. Wir hatten nie eine Chance.«
»Warum nicht?« fragte Oscar.
»Nun, die Grundlagenforschung bringt zwei wirtschaftliche Vorteile mit sich: intellektuelles Wissen und Patente. Um die Investitionen in die Forschung und Entwicklung wieder reinzuholen, braucht man ein Gentleman’s Agreement, das den Investoren die Exklusivrechte an ihren Erfindungen zuerkennt. Die Chinesen aber haben sich noch nie viel um das Recht auf geistiges Eigentum geschert. Wir haben sie deswegen solange unter Druck gesetzt, bis schließlich ein richtiger Handelskrieg ausbrach und die Chinesen uns zwangen, Farbe zu bekennen. Sie machten das gesamte englischsprachige geistige Eigentum über ihr Satellitennetzwerk für jedermann frei zugänglich. Sie verschenkten unseren Besitz, und das bedeutete unseren Bankrott. Daher hat die Grundlagenforschung ihren ökonomischen Unterbau dank der Chinesen mittlerweile verloren. Wir zehren jetzt allein von unserem Prestige, und das ist ein zu schmaler Grat, um sein Leben darauf zu gründen.«
»Auf die Chinesen einzuprügeln ist aus der Mode«, sagte Oscar. »Wie wär’s mit den Niederländern?«
»Ja, die angepasste Technologie der Niederländer… Die Niederländer haben jede einzelne Insel, jede Küste, jedes unter dem Meeresspiegel liegende Gebiet auf der Welt aufgesucht und mit dem Deichbau Milliarden verdient. Sie haben eine gegen uns gerichtete Allianz der Inseln und tief liegenden Staaten geschmiedet, sie kommen uns in jeder internationalen Arena in die Quere… Sie wollen die globale Forschung den ökologischen Erfordernissen anpassen. Sie wollen keine Zeit und kein Geld für Dinge wie Neutrinos oder Raumschiffe verschwenden. Die Niederländer sind sehr lästig.«
»Der Zweite Kalte Krieg steht nicht auf der Agenda des Wissenschaftsausschusses«, sagte Oscar. »Wenn wir dies zu einer Frage der nationalen Sicherheit machen würden, könnte es aber dazu kommen.«
»Was würde das schon nützen?« Greta hob die Schultern. »Kluge Menschen sind zu großen Opfern bereit, wenn man sie an Problemen arbeiten lässt, die sie wirklich interessieren. Aber wenn man sich ständig nur militärisch verwertbare Ergebnisse abpressen soll, dann ist man nichts weiter als ein dressierter Affe.«
»Das ist
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