Brennendes Land
Oscar, soeben sei von Muskogee, Oklahoma, ein Mann eingetroffen, der erfolglos gegen die Südschleuse gehämmert und drohend einen folienverschweißten Karton geschwungen habe, von dem er behauptete, er enthalte eine ›Super-Reflex-Granate‹.
Oscar suchte den Verdächtigen in seiner Zelle auf. Der prospektive Attentäter wirkte verwahrlost und desorientiert und befand sich in dem Zustand grauenhafter kosmischer Verwirrung, wie er geistig Schwerkranken zu eigen ist. Oscar verspürte jähes, unerwartetes Mitleid mit ihm. Ihm war auf den ersten Blick klar, dass der Mann keine bösen Absichten hatte. Der arme Kerl war durch den unaufhörlichen Beschuss mit verlogener Massenmail zu seinem plumpen Attentatsversuch getrieben worden. Oscar war dermaßen schockiert, dass er unwillkürlich verlangte, man möge den Mann freilassen.
Die Polizisten waren allerdings so klug, seinem Wunsch nicht nachzukommen. Sie hatten bereits die Secret Service-Niederlassung in Austin informiert. In Kürze würden Spezialagenten eintreffen, Mr. Spencer eingehend verhören und ihn diskret fortschaffen.
Am nächsten Tag tauchte ein weiterer unheilbarer Spinner auf. Dieser Gentleman, ein gewisser Mr. Bell, ging schlauer vor. Er versuchte, sich in einer LKW-Ladung von Transformatoren zu verstecken. Der Fahrer bemerkte, wie er unter einer Plane hervorkroch, und rief den Sicherheitsdienst. Es entspann sich eine wilde Verfolgungsjagd, bis man den blinden Passagier schließlich in einer Pflanzung von seltenem Sumpfgras entdeckte, wo er noch immer eine selbstgefertigte Schwarzpulverpistole umklammert hielt.
Der dritte Vorfall war bei weitem der schlimmste. Als man Mr. Anderson in einem Müllcontainer entdeckte, brüllte er etwas von fliegenden Untertassen und dem Schicksal der Konföderation und bearbeitete seine Arme mit einem Rasiermesser. Das viele Blut war schockierend und machte Oscars Lage unhaltbar.
Mittlerweile war klar, dass er einen sicheren Unterschlupf benötigte. Und der sicherste Ort innerhalb der Laboratoriumskuppel war natürlich der Hochsicherheitstrakt.
Der Hochsicherheitstrakt wirkte von innen weit weniger beeindruckend als die hoch aufragende, porzellanweiße Einfriedung. Der Hochsicherheitstrakt stellte eine äußerst merkwürdige Umgebung dar, da sämtliche Einrichtungsgegenstände so konstruiert waren, dass sie der Hochdruckreinigung mit überhitztem Wasserdampf standzuhalten vermochten. Die Innenausstattung bestand aus porenlosem Plastik, Arbeitsflächen aus säureresistenter weißer Keramik, Metallrohrstühlen und körnigem Antirutsch-Bodenbelag. Der Hochsicherheitstrakt wirkte zutiefst fremdartig und alltäglich zugleich. Schließlich war dies kein Feenland und kein Raumschiff, sondern bloß ein Ort, wo Menschen unter streng definierten Bedingungen und bei höchster Sauberkeit hochspezialisierte Arbeiten ausführten. Bereits seit fünfzehn Jahren wurde hier gearbeitet.
Im Umkleideraum, der gleichzeitig auch als Schleuse diente, bat man Oscar, seine Straßenkleidung abzulegen. Stattdessen legte er einen Wegwerflaborkittel aus Papier an, Handschuhe, eine bauschige Haube, eine Gesichtsmaske und sockenlose Reinraumschuhe, die an den Knöcheln dicht abschlossen. Greta Penninger, die sich zu seiner inoffiziellen Führerin ernannt hatte, schickte ihm einen Laboranten, der ihm zur Hand ging.
Dr. Penninger unterstand ein geräumiger Trakt mit mehreren Laborräumen inmitten eines hell erleuchteten Labyrinths, das als Abteilung für rechnergestützte neurologische Forschung bezeichnet wurde. Auf einer Plastiktür stand GRETA V. PENNINGER, FORSCHUNGSLEITERIN, und hinter der Tür lag ein hell erleuchteter Operationssaal. Meterlange weiße Tische. Sicherheitsbodenbelag. Trockengestelle. Sicherheitsfolie. Lösungsmittel. Waagen, Abzüge, Bechergläser in allen möglichen Größen. Pipetten. Zentrifugen. Chromatographen. Und zahlreiche Geräte, deren Funktion im Dunkeln blieb.
Oscar wurde von Dr. Albert Gazzaniga, Gretas Majordomus, in Empfang genommen. Gazzaniga hatte den typischen ›Labor-Blick‹, durchdringend und gleichzeitig eigentümlich diffus, etwa wie ein Squashspieler im Nirwana. Gazzaniga verbrachte sein Arbeitsleben in Reinraumkleidung und entspannte sich draußen in verrottenden Turnschuhen und Shorts. Er wirkte eifrig, aufrichtig und naturverbunden. Er war einer der wenigen Laboratoriumsangestellten, die sich als Anhänger der Demokraten zu erkennen gaben. Die meisten Laborleute waren eher langweilige, wirrköpfige
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