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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ein kompliziertes politisches Arrangement stets einen großen Reiz auf ihn ausübte.
    Ein Wissenschaftler, der oft zitiert wurde und zahlreiche Entdeckungen vorzuweisen hatte, verfügte über politische Macht. Er hatte eine Reputation und besaß Einfluss. Folglich fand er in der wissenschaftlichen Gemeinde Gehör. Er bestimmte die Tagesordnung, wählte die Teilnehmer von Dienstbesprechungen aus, ordnete Beförderungen an, zeichnete Dienstreisen ab und beriet sich mit Kollegen. Weil er bereits vor der offiziellen Veröffentlichung Kenntnis von neuen Forschungsergebnissen erhielt, konnte er mühelos die Spitzenposition wahren. Ein solcher Wissenschaftler hatte keine Armee, keine Polizei und keine Schmiergeldkasse; auf leise, aber effiziente, wissenschaftliche Art und Weise aber hatte er die Basisressourcen der Gesellschaft fest in der Hand. Er vermochte den Fluss der Möglichkeiten nach Belieben umzulenken. Er war ein Spieler.
    Geld war in der Wissenschaft per se von untergeordneter Bedeutung. Auf Wissenschaftler, die allzu unverhohlen zweckgebundenen Mitteln nachjagten oder um größere Zuschüsse katzbuckelten, fiel ebenso ein Makel wie auf Politiker, die verstohlen die Rassenkarte ausspielten.
    Das System funktionierte offenbar. Es war sehr alt und hatte zahlreiche Schlupflöcher. Diese Schlupflöcher konnte man ausnutzen. Und das Laboratorium hatte sich bislang noch nie über einen längeren Zeitraum hinweg der Aufmerksamkeit eines Wahlkampfteams erfreut, dem lauter Spezialisten angehörten.
    Der gegenwärtige Direktor, Dr. Arno Felzian, befand sich in einer schwierigen Lage. Felzian war seinerzeit zwar mäßig erfolgreich in der Genforschung tätig gewesen, hatte den Direktorenposten aber seiner Willfährigkeit gegenüber Senator Dougal zu verdanken. Marionettenregimes gediehen solange, wie das Imperium überdauerte, doch waren die fremden Unterdrücker erst einmal verschwunden, wurden ihre ehemaligen Verbündeten alsbald als Kollaborateure beschimpft. Senator Dougal, der langjährige Gönner des Laboratoriums und offizielle Strippenzieher, war mit Pauken und Trompeten untergegangen. Allein auf sich gestellt, wusste Felzian nicht mehr, was er mit sich anfangen sollte. Er war ein sprunghafter, zappeliger Jasager, dem der Souffleur abhanden gekommen war.
    Den gegenwärtigen Direktor loszuwerden, war der logische erste Schritt. Ohne soliden Nachfolgeplan hatte das allerdings nur wenig Sinn. In der kleinen Welt des Laboratoriums würde der Fortgang des Direktors ein Vakuum hinterlassen, das alles aufzusaugen drohte, was nicht niet- und nagelfest war. Wer sollte den Platz des Direktors einnehmen? Die Mitglieder des Verwaltungsrats boten sich als Kandidaten an, doch das waren korrumpierte Opportunisten genau wie der Direktor. Zumindest lag diese Einschätzung bei jedem, der für den Direktorenposten infrage kam, nahe.
    Oscar und seine Berater stimmten darin überein, dass es im gegenwärtigen Machtgefüge eine zentrale Bruchstelle gab: Greta Penninger. Sie gehörte dem Verwaltungsrat bereits an, was ihren Anspruch legitimierte und ihr eine Art Machtbasis verlieh. Und sie hatte eine noch unerschlossene Anhängerschaft – die eigentlichen Wissenschaftler des Laboratoriums. Es gab dort Forscher, die seit langem in ihrer Arbeit eingeschränkt waren und sich nach Kräften bemühten, relevante Laborergebnisse zu erzielen, während sie von der realen Welt nach Möglichkeit keine Notiz nahmen. Diese Forscher hatten sich jahrelang bedeckt gehalten, während die offizielle Korruption an ihrer Moral, ihrem Ehrgefühl und ihrem Auskommen zehrte. Falls das Laboratorium überhaupt reformierbar war, musste die Reform von den Wissenschaftlern ausgehen.
    Oscar war optimistisch. Er war Demokrat, Anhänger einer Reformpartei, und er glaubte an die Wirksamkeit von Reformen. Als Gruppe waren die Wissenschaftler gewissermaßen noch jungfräulich; sie stellten ein unerschlossenes politisches Potenzial dar. Sie waren ein ausgesprochen seltsamer Haufen, doch sie waren weit zahlreicher, als er je vermutet hätte. Im Laboratorium wimmelte es von ihnen. Als ob die Wissenschaft alle die aufgesaugt hätte, die zu intelligent waren, um einer praktischen Tätigkeit nachzugehen. Ihre selbstlose Hingabe an ihre Arbeit war ihm ein Rätsel.
    Oscar hatte sich von seinem anfänglichen Erstaunen bald erholt. Nach einem Monat eingehender Nachforschungen hatte er begriffen, dass dies gar nicht so schwer zu verstehen war. Es stand einfach nicht genug Geld zur

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