Brennpunkt Nahost
jüngerer Bruder von Hafiz al-Assad. Er lebt in Europa im Exil und rechnet sich selbst zur Opposition. Die meisten Oppositionellen wollen mit ihm jedoch nichts zu tun haben, da er die Kritiker Hafiz al-Assads, des Vaters von Baschar, einst genauso mit Gewalt niedergemacht hatte, wie dies heute Mahir al-Assad tut. Einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker von Hama 1981. Schlüsselpositionen in Armee, Geheimdienst und Milizen sind mit Alawiten besetzt, der Religionsgemeinschaft des Assad-Clans.
Die Baathpartei ist die zweite Stütze des Regimes.
Parteivorsitzender: Baschar al-Assad seit 2000.
Staatspartei mit säkularer panarabischer Ausrichtung.
Gegründet 1947 als pluralistische Partei mit dem Slogan ›Einheit, Freiheit, Sozialismus‹.
Wie im Irak putschte sich die Baathpartei auch in Syrien an die Macht, und zwar am 8. März 1963. Ab da Staatspartei mit totalitären Zügen. Die Mitgliedschaft in der Baathpartei war Voraussetzung, um in Syrien Karriere im Staatsdienst zu machen.
Im syrischen Parlament verfügt die Baathpartei schon immer über eine klare Mehrheit. Syrien ist also de facto ein Einparteienstaat, auch wenn die Baathpartei formal eine Koalition mit kleineren Blockparteien eingegangen ist.
Seit 2011 sind auch andere Parteien zugelassen, aber nur wenn sie nicht religiös ausgerichtet sind. Das Machtmonopol der Baathpartei wurde dadurch nicht gebrochen.
Und dennoch: Immer wieder versuchten wir uns zu verabreden, machten geheime Erkennungszeichen aus, legten Treffpunkte fest, versprachen die kleinste Kamera unserer Ausrüstung mitzunehmen, den Begleiter abzuschütteln und nur zu zweit zu kommen. Doch jedes Mal kurz vor dem Treffen kam diese Mail: »Es geht nicht. Zu viele Geheimdienstler im Stadtteil. Es ist zu gefährlich.«
Feststeht: Im Bürgerkrieg in Syrien gewinnen immer mehr die Radikalen die Oberhand, die sunnitischen Djihadisten und Terroristen aus den verschiedensten islamischen Ländern auf der einen Seite. Assad wiederum kann sich auf seine Unterstützer verlassen, auf die Mullah im Iran, die Kämpfer der Hisbollah aus dem Libanon und auf Russland, das fast nibelungentreu zu ihm steht. Doch es gibt diese ganz Mutigen immer noch, die fest daran glauben, sie könnten das Regime mit friedlichen Mitteln stürzen, die kleinen Gandhis und Mandelas, die an die Kraft konsequenter Verweigerung glauben, an den zivilen Ungehorsam, an die Stärke gewaltfreier Demonstrationen. Und das mitten in einem Meer von Blut, Schlachtfeldern, auf denen es keine Gnade gibt und mitten unter Religionskriegern, die sich inzwischen gegenseitig die Köpfe einschlagen, und das im Namen des gleichen Gotts. Auch wenn ich die Studenten der »Union freier syrischer Studenten« nie kennengelernt habe, sie haben meinen größten Respekt.
AZAZ, Rebellenland, OSTERWOCHE 2013
Azaz hämmert. Azaz bohrt. Azaz lärmt. Azaz ist Krach. Azaz ist ein ölverschmierter keuchender Dieselmotor, der das Gestänge eines Bohrturms antreibt. Jeden Morgen um sechs springt die Lärmmaschine an und treibt den Bohrkopf immer tiefer in Richtung Erdmittelpunkt, ohrenbetäubend und jeden aus dem Schlaf reißend, bis zehn Uhr abends geht das so. Natürlich stand diese Anlage neben dem Haus, in dem wir untergebracht waren, als wir das von den Rebellen kontrollierte Nordsyrien besuchten. Sie warf uns jeden Morgen um sechs Uhr von den Matratzen.
Azaz ist natürlich auch eine mittelgroße Stadt in Syrien und liegt nur wenige Kilometer entfernt von der syrisch-türkischen Grenze. Azaz – ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Norden des Landes. Straßen aus der Türkei kreuzen sich mit syrischen Straßen aus dem Osten oder Westen. 70 000 Menschen lebten hier zu Friedenszeiten, die meisten sind geflohen, dafür haben sich Flüchtlinge aus anderen Teilen des Landes hier niedergelassen. Vielleicht zehn- oder 20 000 Menschen leben noch zwischen den Trümmern der Stadt. Azaz ist eine Geisterstadt. Am 20. Juli 2012 hatten die Rebellen die Stadt erobert, doch Friede hat diese Befreiung den Menschen in der Stadt nicht gebracht.
Syriens Präsident plant offensichtlich, Azaz systematisch unbewohnbar zu machen, genauso wie auch andere von den Rebellen eroberte Städte. Regelmäßig lässt er die Stadt bombardieren. Das große Krankenhaus – durch seine Raketen zerstört. Ebenso Schulen, Moscheen und andere öffentliche Einrichtungen – alles in Trümmern. Kaum eine Straße ohne Ruinen. In Schutt und Asche soll die Stadt offensichtlich gelegt werden.
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