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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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einfach nur schnell erwachsen. Ich dachte darüber nach, was ich wohl versäumt hatte, während ich ihr dabei zusah: Als ihre Haare wuchsen und die Lippen voller wurden, als die kindlichen Gesichtszüge der weiblichen Neugier wichen, als ihr das einst noch bodenlange Sommerkleid gerade noch bis zu den Schenkeln reichte und sie ständig daran zupfte. Die Wolken zogen vorüber, brachten Schatten und Regen, ich erinnere mich noch, dass ich langenicht davon abzubringen war, dass Mädchen und Wolken Geschwister seien, dass es irgendeinen sagenhaften Zusammenhang gäbe und ich nur lang genug hinsehen müsste, um diesen aufzudecken … Die Zeitlosigkeit meiner Nachmittage war schlicht unbestritten. Manchmal wollte ich in ebenjenen Augenblicken sogar neue Farben erfinden, um unsere Welt in ein ganz anderes Licht zu tauchen, ich wollte wohl schon immer zu viel.
    Im Winter übernachteten bisweilen fremde Menschen bei uns, die der Onkel irgendwo in den Wäldern auflas, die ihm aus dem Wald zu uns folgten, er ließ sie gewähren und versteckte sie irgendwo hinten im Schuppen. Es gab eine Zeit der Vagabunden, und es gab viel zu tun, um diese zu versorgen, ich meine, keiner in der Siedlung durfte eigentlich darüber Bescheid wissen, wir waren in diesen Wochen echte Geheimniskrämer, die sich um keinen Preis in die Karten blicken ließen. Mittags half ich der Tante, Essen zuzubereiten, lernte allerdings nie wirklich Kochen, weil der Onkel der Meinung war, ich käme dabei nur auf dumme Gedanken, dass man mit dem Essen nicht spielt, sagte er, und die Tante pflichtete ihm bei, sie nickte und drohte mir mit erhobenem Zeigefinger. Ich zerkleinerte das Gemüse, schnitt das Fleisch sachte in Streifen, ich musste dabei wirklich auf meine Fingerkuppen achten. Die Fremden waren für gewöhnlich sehr müde und wollten nur selten mit mir spielen, sie aßen und schliefen schnell ein, träumten dabei schlecht und klagten, oft genug verschwanden sie im Morgengrauen mit den ersten Nebelschwaden. Der Onkel erzählte mir, sie seien die Ausläufer einer anderen Welt, einer mir fremden und unheimlichen, eines Tages würde auch ich es verstehen.
    Man möchte meinen, das Leben in unserer Siedlung sei alles in allem recht beschaulich und bescheiden gewesen … Im Sommer stritten wir uns um die größten Himbeeren, pflückten den Mädchen Blumen und legten sie heimlich vor ihre Türen. Wir fingen Hechte und Huchen, schreckten kleine Rehe auf, obwohl es hieß, sie würden so ihre Mütter verlieren,
man darf Wildtiere nicht berühren, ihnen käme sonst die Zuversicht abhanden, ihr Leben zu meistern
, behauptete der Onkel, ich glaubte damals noch, diese Wirkung hätten nur böse Geister oder deren Nachfahren.
Die Kitze und Jungvögel, die einem Menschen in die Hände fallen, auf sie überträgt sich unsere Sorge, alles richtig machen zu wollen
, schloss der Onkel,
kein Tier erträgt das
… Er hoffte wohl, mich so vor allerlei Dummheiten zu bewahren.
    Wäre ich ein Tier, ich würde deutlich mehr vertragen, dachte ich und stellte mir vor, wie ich (ganz leicht) den anderen Kindern davonlief, behände Bäume erklomm und sogar fliegen, Zähne fletschen und knurren konnte (für die konkrete Gestalt eines Tieres konnte ich mich aber nie entscheiden). Auch der nachfolgende Versuch, tief in mir ein Tier hervorzubringen, scheiterte kläglich, ein Mensch gelangt nur allzu bald an seine Grenzen. Mit einem Satz wollte ich einst die breiteste Stelle des Baches queren, ich nahm Anlauf und lief so schnell los, wie ich konnte, doch selbst ein perfekter Absprung, es sollte nicht gelingen, ich sollte mir niemals genügen, mein Leben langte einfach nicht.
    Dem Onkel wollte ich am nächsten Tag seine Axt verstecken, damit er sie nie wieder fand, aber am Morgen darauf hatte er sie erneut zur Hand, ich wusste (so gesehen) schon früh von meinem Unvermögen. Ich glaubte sogar, dass derOnkel irgendwie meine Gedanken las, wo er mir doch stets einen Schritt voraus war und jede Situation fest im Griff hatte.
    Am nahen Waldrand fällten sie schon bald die ersten Bäume, Fichten und Tannen, die in all den vielen Jahren zu stattlicher Größe herangewachsen waren, die Forstarbeiter und Verwaltungsbeauftragten, die nur auf Profit aus waren und es nicht besser wussten. Sie kamen mit Kränen und Tiefladern, verluden das Holz und brachten es in ferne Sägewerke, während wir mit den kahlen Stätten leben mussten.
    Dann und wann vergaßen sie einen der am Boden liegenden Stämme, und ich sah

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