Brenntage - Roman
Wunsch nachzukommen.
Noch schlimmer war das Hochwasser, einmal im Jahr fegte es durch unsere Siedlung und hinterließ braungrauen Schlamm, der sich nur allzu schnell unter den Strahlen der Sonne in harten Zement wandelte. Es kam vor, dass die Fluten auch größere oder wildere Tiere anspülten, die Wucht des Wassers ließ sie gegen die Hauswände prallen, sie brüllten und ächzten, und ein paar Fenster barsten, manchmal wurde sogar irgendwer (oder -was) aufgespießt. Eines Morgens fanden wir sogar eine Kuh in unserem Garten vor, die dem Wasser wie durch ein Wunder entkommen war, sie streckte uns freudig ihr Euter entgegen, während die müden Augen verunsichert in die Runde spähten, sie lebte noch ungefähr drei Wochen. Später trug die ganze Siedlung schwer an den Schäden, die Ernte war vernichtet und viele Nutztiere waren tot oder verschwunden, der Hausrat vieler Familien stank nach fauliger Brühe,
Tribut zollen
, sagte der Onkel,
wir müssen uns der Natur und ihrem Urteil fügen
. Schließlich wurde alles in den nächsten Tagen und Wochen zu einem großen Haufen zusammengekarrt, die Männer halfen einander und überließen alles den Flammen, niemand sprach ein Wort, und nur ein paar der kleineren Kinder liefen aufgeregt um das Feuer herum, sie glaubten vielleicht, die Brenntage hätten uns in diesem Jahr früher ereilt, sie konnten ja nicht einmal Hochzeiten von Geburtstags- oder Namensfesten unterscheiden.
Gib mir deine Schuhe
, sagte der Onkel, und ich reichte sie ihm, ohne weiter darüber nachzudenken … An meinem linken Schuh hatte sich die harte Sohle gelöst, wenn es regnete, trug ich vorsorglich nicht einmal Socken (um diese nicht nass zu machen), ich erinnere mich noch, dass ich mich viel zu schnell an jede Witterung gewöhnte und auch barfuß zurechtkam. Der Onkel warf damals meine immerhin besten Schuhe ins Feuer und murmelte etwas vor sich hin, ich glaube, er fluchte insgeheim, weil ich es verabsäumt hatte, besser auf mein Eigentum zu achten, bestimmt dachte er, ich sei ein sorgloser Nichtsnutz. Die Tante hörte es im Übrigen gar nicht gern, wenn sich der Onkel Luft verschaffte, sie war der Meinung, dass nur böse Menschen fluchen oder Grimassen schneiden und dass sie das am Ende noch böser mache.
Einmal sah ich einen unserer Nachbarn, wie er seinem Dienstmädchen unter den Rock fasste, dieses schrie kurz auf, lief panisch weg, und der Nachbar fluchte gewaltig, und seine Stirn kräuselte sich. Es war das erste Mal, dass ich einen unserer Nachbarn dermaßen fluchen hörte, bestimmt fluchte er aus einem ganz anderen Grund als mein Onkel, doch spielte das wirklich eine Rolle?
Onkel, spielt es eine Rolle, warum wir fluchen? Nicht, dass ich wüsste
, erwiderte er, dabei wusste er sonst doch fast alles.
Höre gut zu
, sagte er weiter,
jeder Mensch sollte ein Geheimnis haben
… Allerdings konnte ich gar keinen Zusammenhang zwischen Flüchen und Geheimnissen herstellen und wusste nicht, ob sich ein weiteres Nachfragen überhaupt lohne.
Onkel, hast du denn ein Geheimnis?
Doch er lachte nur und klopfte sich auf die muskulösen Schenkel, jedenfalls beschloss ich kurzum, auch ein Geheimnis zu finden, das zu mir passte … Warumman überhaupt einem Dienstmädchen unter den Rock fassen wollte, darüber dachte ich natürlich nicht nach.
Manchmal sah ich den Töchtern unserer Nachbarn zu, wie sie im Garten spielten und lachten, der Onkel meinte, sie seien verwöhnte Gören, durch und durch bösartig, aber ich wusste nur, dass sie schön waren und gut rochen.
Schön und wohlhabend, also nichts für dich, und überhaupt, du bist noch viel zu jung
. Insgeheim glaube ich, mich sehr früh in eines der Mädchen verliebt zu haben, ich musste fortan immer an sie denken und stellte mir vor, wie es mit uns hätte sein können und was wir alles gemeinsam erlebt hätten, dass wir in ein eigenes Haus hätten ziehen und Kinder darin hätten spielen und wir allerlei Katzen und Vögel mit seltsamen Namen beherbergen können. An einem Nachmittag spähte ich aus dem Dachbodenfenster, verrenkte mir fast den Kopf dabei, ähnlich den jungen Schwalben, die gefüttert werden wollten, und dachte angestrengt nach. Ich sah das Mädchen reglos hinter den Hecken, den Bäumen und Sträuchern, die unser Grundstück von dem ihrigen trennten, sitzen, sie atmete ruhig und blickte zu den Wolken empor.
Nach und nach wurde sie immer größer und älter, zunächst dachte ich, sie käme mir näher, oder ich würde kleiner, aber sie wurde
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