Bretonische Verhältnisse
verhehlen, ein gestohlenes Vierzig-Millionen-Euro-Bild. Madame Pennec hatte ihm eine Beteiligung von einem Viertel des Gemäldewertes geboten für den Fall eines erfolgreichen Verkaufs. Das wären zehn Millionen gewesen. Zehn Millionen!«
»Madame Pennec hat ihm den Auftrag gegeben, es zu verkaufen. Das war nicht seine Idee. Gegen eine Beteiligung, natürlich, der Verkäufer erhält immer eine Provision, das ist nichts Unrechtes. Und es ist ihr Bild, der Gauguin gehört ihr, wenn ich das alles richtig verstehe.«
Locmariaquer war bereits detailliert gebrieft worden. Das war eigentlich klar gewesen.
»Man hat Sie schon angerufen.«
Locmariaquer zögerte.
»Ich habe Anrufe erhalten. Aus Paris, aus Rennes und Toulon.«
Er zögerte noch einmal hörbar.
»Auch von seinen Anwälten.«
Dupin wunderte sich, dass er das zugab. Aber er hätte es sich ohnehin denken können. André Pennec hatte zwei Stunden gehabt.
»Madame Pennec wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass es ihr Eigentum war, als sie André Pennec darum bat, es zu verkaufen. Sie ging davon aus, dass Pierre-Louis Pennec es dem Musée d’Orsay vererbt hatte. Ihr Mann und sie haben das Bild in der Mordnacht ausgetauscht, weil sie sich nicht sicher waren, ob es bereits zu der Abänderung des Testaments gekommen war. Und Catherine Pennec hat André Pennec noch in derselben Nacht angerufen, nicht lange nach der Tat. Sie hat André Pennec erzählt, was passiert ist. André Pennec hat sich zudem der Mitwisserschaft in diesem Mordfall schuldig gemacht. Er hat sich nicht an die Polizei gewandt. Er hat mich die letzten Tage systematisch belogen und die Ermittlungen damit unmittelbar behindert.«
Dupin war jetzt doch in Rage.
»Die Anwälte von André Pennec sagen aus, dass Madame Pennec in dieser Nacht keinesfalls klar formuliert habe, dass ihr Mann Pierre-Louis Pennec erstochen habe. Sie hat von einer ›familiären Katastrophe‹ gesprochen. Madame Pennec war wohl sehr aufgelöst und konfus. Wie auch anders.«
Es war eine vollkommen groteske Situation. Ekelhaft. Das war es, was Dupin so sehr an seinem Beruf hasste. Zutiefst. Seine Stimme schwoll weiter an.
»›Keinesfalls klar formuliert‹, ›familiäre Katastrophe‹? Was soll das heißen?«
»Hat er den Auftrag, das Bild zu verstecken und zu verkaufen schon in der Nacht erhalten, als Catherine Pennec anrief?« Locmariaquers Stimme war aufreizend sachlich.
»Er – nein.«
»Sehen Sie.«
»Aber am nächsten Tag …«
»Am nächsten Tag hat Madame Pennec durch die Testamentseröffnung erfahren, dass es zu keiner Abänderung des Testaments gekommen war. Pierre-Louis Pennec hat die Schenkung nicht mehr verfügen können. Sie wusste, dass das Bild ihr gehörte. Gesehen hat André Pennec Catherine und Loic Pennec im Anschluss an die Testamentseröffnung, er reiste ja erst am Morgen an.«
»Das ist doch … Er wusste …«
Dupin brach ab. Er hatte nicht nachgedacht. Das war sein Fehler. Eigentlich wusste er es besser. Ja. So, exakt so, lief es in solchen Fällen. Aber genau das war einer der Gründe, warum er Polizist geworden war; er war – so unsinnig naiv und hochmütig es auch sein mochte – vollkommen unfähig, auszuhalten, wenn jemand selbstherrlich dachte, er käme mit einem Unrecht einfach davon.
»Das ist eine große Sauerei, und Sie wissen das.«
Locmariaquer überging Dupins Bemerkung.
»Madame Pennec wusste nicht definitiv, ob es bereits zu einer Abänderung des Testaments gekommen war. Ihr Mann hatte es so verstanden in dem Streit mit seinem Vater an diesem Abend. Aber das war doch offenbar eine – extrem emotionale Situation.«
»Und was soll das heißen, Monsieur le Préfet?«
»Das heißt: Catherine Pennec scheint mir die Einzige zu sein, die zu belangen ist – für den Mord an ihrem Mann, wenn sie das in den offiziellen Aussagen nicht noch widerruft.«
Dupin wollte heftig protestieren. Aber er schwieg; mit größter Selbstbeherrschung. So also würde die offizielle Version lauten.
»Ich denke, André Pennec hat helfen wollen, in einer, wie haben Sie gesagt: in einer tragischen familiären Situation. Es dauert etwas, ehe man wieder klaren Verstandes ist nach so extremen Ereignissen.«
»›Helfen wollen‹? Er hat ›helfen wollen‹?«
Dupin hatte die Worte fassungslos wiederholt.
Wieder ging Locmariaquer gar nicht auf sie ein.
»Und dieser Beauvois, dieser Kunstvereinsvorsitzende? Das ist harter Tobak. Wir sollten das ernst nehmen. Sehr ernst.«
Dupin traute seinen Ohren
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