Bretonische Verhältnisse
Wie geht es Marc?«
»Sehr gut. Er ist in Toulouse. Irgendein Ingenieur-Kongress.«
»Hast du das Haus gebaut?«
»Das hier? Ja.«
»Würde ich gerne sehen.«
»Ich maile dir Fotos. – Und wie geht es dir, abgesehen von dem Fall?«
»Hm. Ich weiß nicht.«
Lou stellte immer die kompliziertesten Fragen.
»Das weißt du nie.«
»Manchmal schon.«
»Noch verliebt? Noch Adèle?«
»Nein.«
Es musste wirklich etwas her sein, dass sie telefoniert hatten.
»Schade, das klang gut. Jemand Neues?«
»Hm.«
»Klingt nicht so.«
Lou war der festen Überzeugung, dass er immer noch Claire liebte. Das hatte sie ihm schon viele Male gesagt. Und dass er deswegen immer das Interesse verlor an den Frauen, die es seit Claire gegeben hatte. Lou kannte ihn gut.
»Doch. Ich bin mir nicht sicher, meine ich.«
»Was heißt das?«
»Ich weiß nicht. Ich … Warte, Lou, einen Augenblick.«
Dupin hörte etwas. Ein Motorengeräusch.
»Lou, ich glaube, ich muss …«
»Meld dich wieder!«
»Mach ich.«
Jetzt hörte er es ganz deutlich. Ein Wagen. Der den Weg hochkam. Er bewegte sich noch etwas tiefer in den kleinen Wald hinein, er durfte auf keinen Fall gesehen werden. Der Wagen kam näher, bog um die Kurve. Er preschte mit gehörigem Tempo voran. Dann hörte man ihn bremsen. Eine Autotür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Dupin wartete einige Augenblicke, dann zog er seine Waffe und bewegte sich vorsichtig zwischen den Bäumen hindurch auf den Schuppen zu. Durch die Äste und Blätter sah er Teile des Wagens schimmern. Ein dunkler Wagen. Seine Schritte beschleunigten sich. Dann trat er aus dem Wäldchen hervor.
Eine schwere schwarze Limousine stand direkt vor dem Schuppen. Die Stoßstange berührte fast die Wand.
»André Pennec«, murmelte Dupin überrascht.
Eineinhalb Stunden später fuhr Inspektor Kadeg ein zweites Mal an diesem Tag nach Quimper. André Pennec saß hinten in seinem Wagen. Kadeg brachte ihn in die Präfektur. Es war eine sehr unangenehme Szene geworden am Schuppen, aber sie hatte nicht lange gedauert.
Dupin stand vor der hässlichen dunklen Villa, die er mittlerweile gut kannte. Riwal würde gleich kommen und vor der Tür mit seinem Wagen warten.
Er hatte zwei Mal kurz geklingelt. Er musste nicht lange warten, die Tür öffnete sich nach wenigen Momenten.
»Guten Abend, Madame Pennec. – Ich würde Sie gerne sprechen.«
Dupin hatte diesen Satz sehr bestimmt gesagt.
Für einen Augenblick war in Catherine Pennecs Augen krude Feindseligkeit zu sehen, ein haltloser, vernichtender Blick. Dann, vollkommen ohne Übergang, eine tiefe Resignation. Sie trug wieder das schwarze, hochgeschlossene Kleid. Ohne eine Regung zu zeigen oder etwas zu sagen, drehte sie sich um und ging langsam Richtung Salon.
Dupin trat ein. Er hatte keine Lust auf taktische Spielchen.
»Wir haben das Bild, Madame Pennec. Es ist sichergestellt.«
Dupin machte eine kurze Pause.
»André Pennec hat uns alles erzählt.«
Catherine Pennec war nicht anzumerken, dass sie Dupins Worte überhaupt gehört hatte, sie ging vollkommen ungerührt weiter. Im Salon blieb sie abrupt stehen.
Dupin war ihr gefolgt.
»André Pennec? Ja? Er hat Ihnen alles erzählt? Nein. Er hat Ihnen nicht alles erzählt. Er hat Ihnen gar nichts erzählt.«
Catherine Pennec setzte sich auf das ausladende, verschnörkelte Sofa. Sie saß einige Augenblicke regungslos, dann brach sie unvermittelt in ein kurzes, schrilles Lachen aus. Nicht besonders laut.
»Was weiß er denn schon? Und was wissen Sie denn? Nichts weiß er. Nichts wissen Sie. Nichts – nichts hat er Ihnen erzählt.«
»Dann erzählen Sie es mir.«
Dupin war nahe des großen Kamins stehen geblieben, drei, vier Meter von ihr entfernt. Catherine Pennec starrte mit einem glasigen Blick auf den Boden. Sie schien immer mehr in sich zu versinken. Dupin wartete lange.
»Sie müssen nichts sagen, Madame Pennec. Sie haben das Recht zu schweigen.«
Wieder entstand eine lange Pause.
»Inspektor Kadeg wird Sie nach Quimper in die Präfektur fahren. Dort können Sie Ihren Anwalt sprechen.«
Dupin wandte sich um, Richtung Flur. Ihm war es fast lieber so.
»Kommen Sie.«
Zunächst war er sich nicht sicher, ob er wirklich etwas hörte, Catherine Pennec sprach sehr leise, flüsternd, mit vollkommen veränderter Stimme jetzt, tiefer, hohl. Maschinell.
»Er war ein Versager. Ein vollständiger Versager. Er hat nie etwas hinbekommen. Sein Leben lang. Er war zu weich. Ihm fehlte die Härte. Der
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