Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
stabile Holztreppe hinunter in eine Landschaft, die nur einer bizarren Fantasie entsprungen sein konnte.
Mit einer Hand locker auf dem Geländer starrte Jazz in die düsteren Abgründe eines gewaltigen Durcheinanders hinunter. Das Licht hier war trübe, vielleicht mit Absicht, denn das Wenige, das man sehen konnte, war gelinde gesagt verstörend. Sie gingen durch ein Gewirr von verbogenem Plastik, zusammengebackenen Steinen und angeschmolzenem Metall hindurch. Auf beiden Seiten des Ganges zogen sich erstaunlich gleichmäßige, sauber gebohrte Tunnel von ungefähr einem halben Meter Durchmesser wie Wurmlöcher durch alte Balken. Nur handelte es sich hier eben nicht um morsches Holz, sondern um blanken Fels und zerknickte Stahlträger.
Dem britischen Agenten drängte sich der Gedanke auf, dass irgendetwas, irgendeine gewaltige Kraft, versucht hatte, hier Einförmigkeit herzustellen, aus den vielen verschiedenen Dingen ein gleiches Ding zu machen. Oder versucht hatte, alles zur Unkenntlichkeit zu verbiegen. Es war nicht so, dass die verschiedenen Materialien durch Hitze und Feuer miteinander verschmolzen waren, es schien eher, als seien sie ineinander verdreht wie die Zutaten in einem Teig, oder wie verschiedenfarbige Knetmassen in den Händen eines gigantischen Kindes.
»Das wird noch schlimmer«, sagte Khuv leise und führte sie weiter hinunter. »Diese seltsamen Tunnel sind nicht durch die Magmasse – das ist Viktor Luchows Begriff für dieses Materie-Chaos – gebohrt worden, sie wurden da hineingefressen von der Energie, die bei dem Rückstoß deflektiert worden ist. Wir können nur Spekulationen darüber anstellen, wie hoch der Schaden gewesen wäre, wenn die Anlage zu ebener Erde gestanden hätte.«
Die Treppen führten hinunter zu einer regelrechten Halde aus Magmasse. Erst als sie an einer vertikal aufragenden Wand aus nacktem Felsen ankamen, verlief der Gang wieder ebenerdig. Hier bildeten die Bohlen einen Steg, der im rechten Winkel nach rechts abknickte und parallel an der dräuenden Felswand entlangführte. Unter den Balken war der Boden in bizarren Ausformungen aufgewölbt und verzerrt, wo verschiedenste Materialien so ineinander verlaufen waren, dass man nicht mehr erkennen konnte, was sie ursprünglich gewesen waren. Und durch die erstarrte Masse dieses natürlichen und doch so fremdartigen Materials zogen sich diese unregelmäßigen wurmlochartigen Energiekanäle, ähnlich den ungeordneten Kanälen, die Krustentiere in den Strand bohren, aber in einem gigantischen Maßstab.
»Hineingefressen.« Jazz grübelte über das Wort nach. »Sie haben gesagt, die Löcher wären in den Fels hineingefressen worden. Was hat die da ›hineingefressen‹?«
»Die fehlende Materie ist eher umgewandelt worden.« Khuv sah ihn direkt an. »Vielleicht wird die Sache deutlicher, wenn man sagt, dass die Materie in Energie transformiert worden ist. Aber wenn Sie noch ein wenig Geduld haben, kann ich Ihnen ein viel besseres Beispiel zeigen. Wir gehen dahin, wo der Meiler gestanden hat. Auch der ist weggefressen worden – oder umgewandelt, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Der Meiler?« Für einen Moment lang ergaben Khuvs Worte in Simmons’ wild durcheinanderlaufenden Gedanken keinen Sinn.
»Der Atommeiler, der die Hauptstromversorgung für das Institut geliefert hat. Der Rückstoß hat ihn völlig verschluckt. Ja, und danach hat er sich offenbar selbst geschluckt!«
Jazz hätte gern nachgefragt, was das bedeuten sollte, aber jetzt tauchte links von dem Steg ein großes, kreisrundes Loch in der schwarzen Felswand auf. Licht drang aus diesem Tunnel heraus, der steil nach unten führte. Man brauchte Jazz nicht zu sagen, dass dies die Fortsetzung des Schachtes war, den er auf der oberen Etage gesehen hatte und der einmal, aber nur ein einziges Mal, einen katastrophalen Energiestrahl in die Außenwelt transportiert hatte.
Der Steg führte nach links in den Schacht hinein und wurde wieder zu einer Treppe. Nach dem vergleichsweisen Dunkel der beiden Etagen, durch die sie gerade gekommen waren, stach Jazz das grellweiße Licht hier schmerzhaft in die Augen. Das Ende des Schachtes vor ihnen in der Tiefe war eine weiße Scheibe von strahlender Helligkeit, deren unterer Rand durch eine Plattform abgeschnitten wurde, in die der Steg mündete. Jazz schirmte seine Augen ab und sah einen jungen russischen Soldaten in Uniform, der sich gegen die gekrümmte Wand lehnte. Der Mann raffte sich sofort auf, nahm Habachtstellung ein und
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