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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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entfernen, einzusammeln und anschließend am Stadtrand zu verbrennen. Den ganzen Tag waren wir damit beschäftigt, solche Parolen herunterzureißen. Sie zu vernichten, war ein herrliches Gefühl. Ich habe immer diese Phrasen gehasst, sie begegnen uns ja ständig und überall: arabische Einheit, arabische Nation, arabische Revolution, arabische Tomate und Falafel des Nationalismus. An jenem Tag träumte ich davon, das Gleiche in meiner Heimatstadt Damaskus zu machen. Das wäre wundervoll. Nur zu übertreffen dadurch, dass diese Arschlöcher in Syrien ihre Macht verlieren. Mein Bruder verschwand spurlos, weil er einen falschen Satz auf ein solches Plakat schrieb. Im letzten Jahr verbreitete sich überall in Syrien ein Plakat: zwei Fotos von Al-Assad und seinem Sohn Baschar, worunter geschrieben stand: ›Dieses Junge von diesem Löwen.‹ Mein Bruder schrieb daneben: ›Dieses Bellen von diesem Hund.‹ Noch am selben Tag entdeckten und verhafteten sie ihn. Bei uns gibt es bekanntlich zwei Völker, auf der einen Seite das syrische und auf der anderen die Sicherheitspolizei mit den verräterischen Maulwürfen. Mein Bruder ist noch ein Kind. Sechzehn Jahre alt!«
    »Es gibt weder Macht noch Kraft außer bei Allah! Gott bringt ihn heil zu euch zurück, Gott ist größer als diese erbärmlichen Verbrecher!«, sage ich.
    »Wisst ihr, was ich an diesem Tag der Afrikanisierung Libyens komisch und zugleich mysteriös fand?«
    »Was?«, frage ich.
    »Das erste Mal in meinem Leben sah ich ein Volk, das schwieg, nicht mehr reden konnte, weil es keine Worte mehr fand, die es aussprechen konnte. Ein stilles, stummes Volk. Einen ganzen Tag lang schwieg ein Land. Ich beobachtete die Leute, sie sagten nichts. Wie verhext gingen sie umher, fassungs- und sprachlos, wie Zombies. Was sollten sie auch sagen? Über dreißig Jahre lang mussten sie die Ideen Gaddafis vom arabischen Nationalismus nachplappern. Sie sprachen ihr bisheriges Leben lang nur von der arabischen Nation und Ideologie, von der Idee der arabischen Einheit, von Palästina und dem Irak, von der Arabisierung Nordafrikas und von arabischer Stärke und Weltmacht. Und plötzlich mussten sie Afrikaner werden und über afrikanische Einheit, afrikanische Kartoffeln, afrikanische Bohnen und afrikanische Weltmacht reden. Wie kann ein Volk an einem einzigen Tag all seine Überzeugungen komplett über Bord werfen und eine neue Ideologie übernehmen? Also wurde das Volk plötzlich stumm.«
    »Ich finde das eigentlich lustig«, steuert Said bei.
    »Lustig trifft es leider nicht, lieber Said. Auch ich erinnere mich an jenen Tag«, entgegnet Mansur. »Man wies uns an, die propagandistischen ersten Seiten aus allen Schulbüchern zu entfernen, weil immer irgendeine arabische Parole darin vorkam. Dann gab es einen neuen Sozialkunde-Unterricht. Plötzlich musste man über Dinge reden, die keiner verstand. Ich erlebte aber noch etwas Schlimmeres.«
    »Kennt ihr keine Witze? Es ist genug jetzt mit dem Quatsch von Gaddafi, oder?«, meckere ich.
    »Diese Geschichte ist ein wahrer Witz«, behauptet Mansur.
    »Na, dann los!«
    »Einmal, im letzten Jahr, kamen etliche Männer vom Revolutionskomitee, einige Polizisten und ein Militärgeneral in unsere Schule. Diese Typen trieben uns Lehrer im Büro des Schuldirektors zusammen und verlangten, dass alle, Schüler wie Lehrer, sich auf dem Schulhof versammeln und dort ein Loch schaufeln sollten, mitten auf dem Hof. Ihre Vorgabe für dieses Loch war zwei Meter Breite und Länge. Der General verkündete feierlich, dies wäre ein historischer Moment für uns alle. Alsdann verließen sie uns wieder und hinterließen uns nur einen bewaffneten Polizisten, der vor dem Loch auf- und abging und nicht mit uns reden wollte. In diesem Wirrwarr verstanden wir lediglich, dass am selben Nachmittag hoher Besuch erscheinen sollte. Bis dahin durfte keiner die Schule verlassen.«
    »Planten sie, eine Leiche ins Loch zu werfen, oder was?«, fragt Said.
    Mansur antwortet nicht, sondern erzählt weiter: »Eine Stunde verging und keiner kam. Ich hoffte inständig, sie mögen hier niemanden einsargen. Es schien, als ob das Loch wirklich für eine Leiche gedacht war. Drei Stunden vergingen, als ein Lastwagen auf den Schulhof fuhr und einige Männer ausstiegen, wiederum regierungstreue Willfährige. Vor dem Haupttor der Schule sammelten sich mehrere Lastwagen, Polizeiautos und Jeeps des Revolutionskomitees. Zwei Polizisten kletterten aus dem Lastwagen im Schulhof. Sie schleppten

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