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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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und Wasserpfeife.«
    Er nickt. »Sofort!«
    Dass mein Freund nicht mehr unter den Lebenden weilt, will ich nicht begreifen. Er starb vor sechs Wochen, möglicherweise an einer Lungenentzündung. Ich sage »möglicherweise«, weil ich an diese Todesursache nicht glaube. Ich vermute, dass die Sicherheitspolizei ihn tötete. Zwei Wochen vor seinem Tod nahmen sie ihn fest. Warum, weiß niemand. Vier Tage blieb er im Kerker. Nach seiner Entlassung war er nur noch krank. Was wollten die Polizisten von ihm? Was taten sie ihm dort an? Und warum war er danach so krank? Niemand fand Antworten auf diese Fragen, und Walid selbst wollte darüber nicht reden, er schwieg. Dreimal besuchte ich meinen Freund im Krankenhaus. Die beiden ersten Male schlief er. Beim dritten Mal traf ich ihn nicht an, das Zimmer war leer. Er wollte mich nicht sehen. Bis heute weiß ich nicht, warum. Dann war er plötzlich tot.
    Ganz genau erinnere ich mich an Jamilas Worte, die sie am Tag des Begräbnisses vor seinem Sarg an die Anwesenden richtete: »Die Sicherheitspolizei hat meinen Mann nicht ermordet. Die Zigaretten, James Joyce und die alten Araber haben ihn umgebracht. Das meine ich ernst. Sie allein sind verantwortlich für seinen Tod, die wahren Mörder meines Mannes.«
    Obwohl ich damals unsagbar traurig war, musste ich trotzdem lächeln, weil ich wusste, dass mein Walid darüber ebenso lachen könnte. Derartige Kommentare mochte er und bewunderte Jamila dafür. »Jamila besitzt eine einmalige Fähigkeit«, sagte er einst. »Sie ist eine Metzgerin. Lässt niemanden in Ruhe, selbst mich nicht. Alle werden von ihr aufgehängt und zerteilt. Ihre Zunge ist so scharf wie die Messer eines Metzgers und gnadenlos. Ihre liebste Beschäftigung besteht darin, sich über das Leben der anderen genau zu informieren und darüber zu plaudern und zu lästern.«
    Jamila redete am Tag der Beerdigung noch weiter: »Walid rauchte fast drei Schachteln Gitanes täglich. Das ist viel zu viel. Das tötet sogar einen ausgewachsenen Elefanten. Er arbeitete fleißig, las oder schrieb jeden Tag, sogar am Wochenende. Aber lediglich ein Buch sollte veröffentlicht werden, und er stoppte dessen Auslieferung durch den Verlag. Er musste dem Verleger einen Haufen Geld zahlen, damit dieser das Buch einstampfte. Er übernahm alle Druckkosten und zahlte nur drauf. Natürlich alles aus meinem Portemonnaie. Er arbeitete nicht richtig. Die Schreiberei bringt kein Geld. Sein eigentlicher Job war im Café. Damals lag er mir in den Ohren, er habe das Buch vernichten müssen, weil er ein besseres Werk schreiben wollte. Und ›Eile ist eine Tat des Teufels‹. Diesen Satz, von dem er behauptete, es sei eine arabische Weisheit, zitierte er oft. Keine Ahnung, wo er das gelesen haben will. Aber diese Weisheit hat ihn umgebracht, denke ich. Er glaubte fest an sie. Das Leben wartet aber nicht auf uns, sondern man muss darauf zugehen. Mein Mann wartete lange auf sein perfektes Werk. Und es kam einfach nicht. Er schrieb und schrieb, ein Buch nach dem anderen, und am Ende landeten sie alle im Feuer. Vielleicht hat ihn auch James Joyce ermordet? Vor einem Jahr schrieb ein Journalist über ihn in der Zeitung: ›Walid Mahfouz leidet an der James-Joyce-Krankheit, die ihn mitsamt der arabischen Weisheit und den Gitanes irgendwann umbringen wird.‹ Genau das geschah. Er wollte immer eine neue Odyssee schaffen, wie der irre Ire James Joyce, und damit in der Literatur ein neues Zeitalter einläuten. Doch der Erfolg blieb aus, Walid, der große Autor ohne Buch. Glaubte er nicht, dass er vorher sterben könnte? Viele seiner Freunde, die über keine seiner Fähigkeiten verfügen, haben sich einen großen Namen gemacht. Er nicht. Unbekannt ist er in Kairo geboren und unbekannt in Kairo gestorben.«
    Jamila schwieg. Dann weinte sie: »Du Arschloch, du lässt mich allein? Wirklich?« Danach sagte sie nichts mehr, schwieg einfach, bis das Begräbnis zu Ende war. Seitdem habe ich sie nicht wieder gesehen, auch weil ich nie mehr in das Café gehen wollte. Konnte es mir nicht vorstellen, dort zu sein, ohne Walid, meinen besten Freund.
    Walid, der unbekannte Schriftsteller, unter den Literaten eine kleine Berühmtheit. Viele Kairoer Autoren kannten ihn, weil er immer dabei war, wenn sie diskutierten oder etwas unternahmen. Oft fanden die Begegnungen in seinem Café Phönix statt. Ein Künstlerhaus, zu Recht konnte man Walids Café früher so nennen, weil seine Gäste hauptsächlich Künstler, Autoren und

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