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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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ägyptische Grenze erreiche. Seit drei Jahren gibt mir mein Chef Malik solche Arbeitsunterlagen mit und erwartet, dass ich sie im Transit-Reisebüro in Kairo dem charmanten und sympathischen Büroleiter Majed Munir gebe. »Die Grenzpolizei untersucht Papiere und Bücher übergründlich. Versteck die Unterlagen gut!«, rät er mir oft.
    Flüchtig schiele ich zur Tür des Grenzpostens und erblicke den Syrer Najem. Er steht jetzt schon draußen. Mit zwei Polizisten? Oh Gott, der lässt sich widerstandslos in Handschellen legen. Wieso? Was hat er angestellt? Die beiden Beamten helfen ihm, in den Polizeiwagen einzusteigen. Das Auto fährt ab. Gott, Deine Gnade!
    Ich schließe den Kofferraum.

Drittes Kapitel

Majed Munir, 41 Jahre alt, Reisebüroleiter
Sonntag, 3. Oktober 1999
Kairo, Ägypten

    Bei dieser höllischen Hitze rosten die Schrauben im Kopf, und ausgerechnet jetzt streikt dieser blöde Ventilator. In meinem Büro kann man es nicht mehr aushalten, ich muss sofort raus hier. Ich öffne den Schrank links vom Schreibtisch, nehme die Plastiktüte heraus, in der die neuen Briefe sind, die mir heute von meinem Partner-Reisebüro Al-Amel aus Bengasi übergeben wurden, und verlasse das überhitzte Arbeitszimmer. Draußen vor der Tür geselle ich mich zu meinem Mitarbeiter Marzouk, der dort auf einem Stuhl kauert und die Passanten beobachtet.
    »Wann fährt der Bus nach Amman?«
    »Ab 17 Uhr, Herr.«
    »Tausendmal sagte ich dir, dass du mich nicht Herr nennen sollst. Ich heiße Majed.«
    »Ja, Majed!«
    »Also, von wo fährt der Bus?!«
    »Talaat-Harb-Straße. Superjet Lines. Das Arabische-Allianz-Reisebüro.«
    »Ruf bitte den Busfahrer an und sag ihm, er soll auf mich warten! Ich werde ihn heute dort aufsuchen. Und wenn hier jemand nach mir fragt, bis 16 Uhr sitze ich im Café Phönix.«
    »Ja, Herr.«
    Ich schaue dem jungen Marzouk in seine glutvollen Augen und muss lächeln, weil er mich erneut als Herr anredet. »Du bist unbelehrbar!«, sage ich ihm, drehe mich um und gehe weiter die Ramsesstraße entlang.
    Soll ich über den Ramses-Platz? Ich hasse das Gedränge der vielen Busse und Menschen hier und den Geruch der billigen Fast-Food-Imbisse. Am besten mache ich einen Bogen um den Platz herum und gehe dann auf die Faggala-Straße, genau auf der Höhe, wo die Buchhandlungen, Schreibwarenläden und das Café Phönix liegen.
    Schon seit fast sechs Wochen besuche ich dieses Café nicht mehr. Früher, bevor mein Freund Walid Mahfouz, der Besitzer des Cafés, starb, verbrachte ich dort häufig meine Freizeit. Jetzt, wo ich wieder hier bin, überkommt mich eine bodenlose Traurigkeit, ich will aber keine Tränen vergießen und nicht länger daran denken, weder an Walid noch an all die Geschichten, die ich hier erlebt habe. Was zwang mich überhaupt, jetzt wieder hier aufzutauchen? Will ich mich mit Walids Geist unterhalten, oder was? Ich könnte mich doch stattdessen in irgendein anderes der vielen Cafés in dieser Gegend setzen? So schnell der Gedanke kam, so schnell ist er vergessen, ich gehe ins Café Phönix und steuere einen der Tische an.
    Auf dem Weg dorthin bemühe ich mich zuallererst zu vermeiden, das einzige Bild, welches an der Wand hängt, anzublicken. Doch das gelingt mir nicht lange, da es über der Theke direkt mir gegenüber angebracht ist. Das tatsächlich immer noch existente Schwarz-Weiß-Foto ist fast genauso alt wie dieser Laden. Es zeigt das Ehepaar, Walid und seine Frau Jamila, als sie ungefähr dreißig Jahre alt waren. Ein seltsames Gefühl, dieses Bild nach Walids Tod wiederzusehen.
    Die Witwe und jetzige Besitzerin des Cafés, Jamila Al-Jemal, wirkt sehr beschäftigt. Gern würde ich sie begrüßen, wage es aber nicht. Vor vielen Jahren, als mein Freund Walid sich an sie heranmachte, war sie noch ein junges Mädchen. Vor dem Basar, in der Gegend der Al-Hussein-Moschee, begegneten sich die beiden das erste Mal. Walid und ich waren damals unterwegs, um Kleidung zu kaufen. Plötzlich erspähte er die hübsche Jamila und war sofort für sie entflammt, sprach sie sogleich an. Was sagte er zu ihr? Das wollten beide nie erzählen. Seit jenem Basartag blieben sie zusammen. Jamila behauptete, Walids Besonderheit bestand darin, dass er sie an diesem Tag zum Lachen brachte. Nun bedeckt ein schwarzer Schleier ihren Kopf. Meine Erinnerung weckt Bilder von ihren wunderschönen schwarzen Haaren, über die Walid damals Gedichte schrieb.
    Der Kellner taucht vor mir auf und fragt: »Was wünschen Sie?«
    »Tee

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