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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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da sie immer in Frankreich lebte. Sie hat sogar erst spät Deutsch gelernt, und ich habe sie selbst noch in Paris unterrichtet.
    Allein die Ehe mehr ein Bedürfnis des Alters als der Jugend zu nennen, ist ein Einfall, der ebenso der Natur und der Wahrheit, als jeder schöneren Empfindung widerspricht. Die
Frische der Jugend ist die wahre Grundlage der Ehe. Ich sage damit gewiß nicht, daß das Glück der Ehe mit der Jugend aufhört oder auch nur im mindesten dadurch verliert. Aber die Erinnerung der zusammen genossenen Jugend muß in die höheren Jahre mit hinübergehen, wenn das Glück vollkommen sein und nicht gerade die Eigentümlichkeit des ehelichen verlieren soll. Diese Ansicht ist nicht als eine sinnliche zu betrachten. Die tiefsten und heiligsten Empfindungen hängen damit ganz enge zusammen, und man müßte aller Liebe den Stab brechen, wenn man dies nicht anerkennen wollte. Ein junges, sich gegenseitig gleich herzlich liebendes Ehepaar ist allemal ein im Tiefsten erfreulicher Anblick, auch in niedrigen Ständen, insofern das Gefühl nur irgend die Feinheit hat, die ihm die Natur in gutartigen Gemütern gibt. Von den in höheren Jahren, über vierzig oder fünfundvierzig, geschlossenen Ehen, zweiten oder ersten, läßt sich das nicht sagen. Man wird sie gewiß nicht tadeln, man läßt gern jedem seine Empfindung, solche Verbindungen können sehr vernünftig, sie können auch für Leute, die einmal keine hohen Forderungen an ihr Gefühl machen, beglückend sein. Wer aber tiefer empfindet, sagt sich, daß er sie nicht eingehen würde. Mann oder Frau wird in solcher Verbindung fühlen, daß, wenn ihm der Gegenstand jugendlicher Liebe entrissen ist, öder er nie einen gefunden hat, er auf ein Glück Verzicht leisten
muß, dessen wahre Blüte ihm nicht mehr werden kann. Es wird ihm innerlich unmöglich sein, nach dem so Geringen zu greifen. Ich kann auch nicht in das einstimmen, was man über das Alter sagt. Es kann ein unglückliches und freudenloses geben, wie eine solche Jugend. Aber die Schicksale gleichgestellt, finde ich das Alter, selbst mit allen Schwächen, die es mir bringt, nicht arm an Freuden; die Farben und die Quellen dieser Freuden sind nur anders. Sie entspringen für mich immer ausschließlicher aus der Einsamkeit und der Beschäftigung mit meinen Ideen und Gefühlen. Das nimmt mit jedem Tage in mir zu. Ich fühle mich darin, und nur darin glücklich, und das ist so sichtbar, daß die wahrhaft diskreten unter meinen ältesten Bekannten diese Stimmung stillschweigend, aber durch die Tat ehren. Mir ist sie darum doppelt lieb, da sie mit meinen Jahren und mit meiner Lage übereinstimmt. Verzeihen Sie, daß ich wieder auf mich zurückkomme, aber diese Dinge sind von der Art, daß man nur nach seinem individuellen Gefühl davon reden kann. Wer möchte sich anmaßen, über Fremdes darin abzusprechen?
    Über meine Abreise kann ich noch nicht fest bestimmen, bitte Sie aber, mir nach Berlin zu schreiben und so, daß der Brief zwischen dem 26. und 30. August dort anlangt. Mit der aufrichtigsten, unveränderlichsten Teilnahme Ihr H.
     
     
Tegel
, den 3. September 1832.
     

    I ch bin am 26. August gesund und wohl hierher zurückgekehrt, liebe Charlotte, und habe gleich am folgenden Tage meine Beschäftigungen wieder vorgenommen. Von dem Bade sehe ich der Fortdauer der guten Wirkung, die ich schon spüre, entgegen. Das Wetter war vom August an in Norderney sehr schön, ohne Regen und Sturm, und doch nie zu warm, da es nie an kühlender Seeluft fehlt. Sonnenschein war nicht immer; es ist allen Inseln, besonders den kleineren, eigen, auch bei sehr milder Luft wenig eigentlich sonnige Tage zu haben. In Irland zum Beispiel zählt man deren unglaublich wenige. Ich habe mich aber bei meinem diesjährigen Aufenthalte im Seebad vollkommen überzeugt, daß, wenn man, wie doch natürlich ist, bloß auf seine Gesundheit Rücksicht nimmt und nicht weichlicherweise die Unannehmlichkeit scheut, man sich schlechtes und kein gutes Wetter wünschen muß. Bei ruhig gutem Wetter ist die See eben nichts anderes als eine große Badewanne. Der Sturm und die Wellen geben ihr erst Seele und Leben. Wie das Meer in seiner erhabenen Einförmigkeit immer die mannigfaltigsten Bilder vor die Seele führt und die verschiedenartigsten Gedanken erweckt, so ist mir erst jetzt bei den anhaltenden heftigen Stürmen recht sichtbar geworden, welche schmeichelnde Freundlichkeit
das Meer gerade in seiner größten Furchtbarkeit hat. Die

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