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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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Seele, wie im Äußern seines Hauses. Man zieht dann das Gemüt auf einen kleinen Kreis von Empfindungen zurück, übergibt die anderen der Vergessenheit und freut sich der Ruhe in der selbstgewählten Beschränkung. Wenn man dies recht tut, tut man dies nur einmal. Man verläßt dann nicht wieder den Raum, wie man ihn eng umgrenzt und umzogen hat.
    Sie rühmen meine Geduld. Sie hat nichts Verdienstliches und hat mir nie Mühe gekostet. Ich möchte sie mir angeboren nennen. Die Zeit, die ich über eine Sache sitzen muß, um sie zu Ende zu bringen, wird mir nie lang.
    Sie gedenken bei einem Ereignisse der Vergangenheit
Holzmindens
im Braunschweigischen. Das hat mir lebhaft eine Erinnerung zurückgerufen. Von diesem kleinen Orte reiste ich 1789 mit Campe nach Paris. Campe kam von Braunschweig, ich von Göttingen aus dahin. Die Reise, die Sie gelesen haben können, da Campe sie herausgegeben hat, war kurz, aber meine erste außer Deutschland. Campe war,
wie ich Ihnen schon früher glaube gesagt zu haben, Hauslehrer im Hause meines Vaters, und es gibt noch eine Reihe großer Bäume hier, die er gepflanzt hat. Er hat nicht gerade ein unglückliches, aber ein bedauernswürdiges Ende gehabt. Er war die letzten Jahre seines Lebens ganz blödsinnig. Ich habe bei ihm schreiben und lesen gelernt und etwas Geschichte und Geographie nach damaliger Art, die Hauptstädte, die sogenannten sieben Wunderwerke der Welt usw. Er hatte schon damals eine sehr glückliche, natürliche Gabe, den Kinderverstand lebendig anzuregen....
    Ich bin vollkommen wohl, und mir ist in meiner in mir vergrabenen Stimmung sehr wohl. Ich bitte Sie, Ihren Brief an mich wie gewöhnlich abgehen zu lassen, und wünsche von inniger Seele, daß Sie das Jahr gesund und heiter beschließen und ebenso das neue beginnen mögen. Begleiten Sie mich bei dem Wechsel der Jahre mit dem Wunsch, daß mich nichts im Genuß meiner Einsamkeit, die mein wahres Glück ist, stören möge, und machen Sie, daß ich mir Ihr Leben ruhig und zufrieden denken kann. Mit der herzlichsten Freundschaft und unveränderlicheren Teilnahme der Ihrige. H.
     
     
Tegel
, den 9. Februar 1833.
     

    E s tut mir leid, liebe Charlotte, daß Ihnen dieser Brief später als gewöhnlich zukommen wird. Ich habe aber wegen eines Geschäftes einige Tage in der Stadt sein
müssen, und da komme ich nicht zum ruhigen Schreiben. Da ich Berlin jetzt selten besuche, so drängt sich dann alles, Menschen und Sachen, zusammen, und es bleibt mir nicht einmal die materielle Zeit übrig, etwas für mich anzufangen, wenn ich auch garnicht von der Stimmung reden will. Ich verlor aber gerade auf diese Weise die ersten Tage des Monats, in denen ich Ihnen jetzt gewöhnlich zu schreiben pflege. Ich hoffe, Sie werden sich über das Ausbleiben des Briefes nicht beunruhigt haben. Sie müssen das niemals tun, liebe Freundin, darum bitte ich sehr. Der kleinen, ganz unbedeutenden Ursachen, warum ich Ihnen an diesem oder jenem Tage nicht schreibe, können sehr viele sein, und ich kann sie so wenig voraussehen, als Sie sie erraten. Aber Sie können sicher eine von diesen voraussetzen, wenn meine Briefe Ihnen über die gewohnte Zeit ausbleiben. Da ich zu derselben Zeit im Monat jetzt gewohnt bin, Ihnen zu schreiben, so bekommen Sie nach einer ziemlich längeren Pause hernach zwei Briefe schneller nacheinander, was Ihnen Freude macht, da Sie auf meine Briefe einen viel größeren Wert legen, als sie verdienen. Diese Ihre Freude ist auch mir eine und macht, daß ich Ihnen willig die Zeit opfere, die es mich kostet. Seit vorgestern bin ich wieder hier, und heute schon setze ich mich hin, um mich mit Ihnen zu unterhalten. Denn eine Unterhaltung kann man unseren Briefwechsel vorzugsweise nennen. Da er sich meist um Ideen
dreht und die äußeren Lebensverhältnisse sehr wenig angeht, so gleicht er darin einem räsonnierenden Dialog, und Ideen sind ja nur das einzig wahrhaft Bleibende im Leben. Sie sind im eigentlichsten Verstande das, was den denkenden Menschen ernsthaft und dauernd zu beschäftigen verdient. Auch Sie nehmen ebenso lebhaftes Interesse daran, und daß Ihnen meine Briefe Freude machen, liegt vorzüglich in diesem ihrem Inhalte. Es ist mir auch ein besonderer Grund der Zufriedenheit und Freude an Ihrer Art zu schreiben, daß Sie nicht mehr, wie Sie es sonst oft taten, darauf dringen, daß ich Ihnen von dem erzähle, was mich angeht, und über das Mitteilungen mache, was mich umgibt, was garnicht in meinem Wesen liegt. Darum

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