Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bring mich heim

Bring mich heim

Titel: Bring mich heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Wagner
Vom Netzwerk:
ihn. Ich war nicht imstande, diese Gefühle von einem Tag zum nächsten abzustellen. Und er ... er konnte nicht loslassen. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Darum rief er mich wöchentlich ein Mal an, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung bei mir war.
    Nach diesen Telefonaten brodelte es jedes Mal in mir, weil ich so wütend auf mich war. Immer wurde ich schwach. Es läutete, ich las Christoph Bauer und ich drückte auf Grün. Und jedes Mal stellte ich meinen Verstand infrage. Ich musste schon verrückt geworden sein, dass ich das noch mitmachte. Er sagte Mimi zu mir, sprach mit süßer Stimme und ich verfiel ihm abermals. Nur machte Christoph das, um sein Gewissen zu bereinigen. Es nagte nach wie vor an ihm, dass er mich unter diesen Umständen sitzen ließ. Vor allem, nachdem Julia mit Markus nie Schluss gemacht hatte und es bei dieser Affäre blieb. Aber mich bekam er nie wieder zurück. Auch, wenn ich oftmals kurz davor war, ganz schwach zu werden.
    Ich war stinksauer auf mich, dass ich schon wieder darauf hereinfiel. An diesem Tag ging es mir ohnehin nicht gut und dann noch das.
    Ich wollte das nicht mehr. Nichts mehr davon. Keine Krankheit, keine nervenden Ex-Freunde. Es lief alles den Bach herunter. Ich war sauer. Nichts, aber auch gar nichts gelang mir. Dinge, die ich startete, endeten in einem Chaos.
    Am liebsten wäre ich gestorben. Warum hatte das mein Schicksal nicht mit mir vorgesehen? Es quälte mich stattdessen ... jeden Tag aufs Neue. Das war kein Leben. Der Selbstzweifel ...
    Ich wollte meine Gedanken nicht mehr hören. Gab es eine Möglichkeit diese abzuschalten?
    Warum ich? Niemand mag mich so. Ich mag mich so nicht. Sieh dich doch nur an. Sieh, was aus dir geworden ist. Keine Haare auf dem Kopf. Haut und Knochen. Du siehst krank aus. Keiner mag Kranke. Alle sind aus meinem Leben verschwunden. Vielleicht sollte ich auch einfach verschwinden.
    Ich stand vor dem hohen Spiegel im Badezimmer und sah mich von oben bis unten an. Hässlich ... es gab dafür kein anderes Wort. Mit voller Wucht schlug ich auf mein Spiegelbild ein. Immer und immer wieder. Tränen liefen meine Wangen herab und ich schrie: »Geh weg aus meinem Leben. Ich will dich so nicht. Verschwinde!«
    Ich hämmerte noch heftiger dagegen, bis er brach. Tausende Scherben lagen vor meinen Füßen. Meine Finger und Knöchel waren zerschnitten. Das Blut tropfte aus den Wunden. Ich starrte meine Hände an, drehte sie in alle Richtungen und sah zu, wie die Tropfen zu Boden fielen, auf die Spiegelscherben.
    Ich setzte mich hin. Hörte dem gleichmäßigen Klopfen meines Herzens zu. Entschlossen hob ich das größte Bruchstück auf. Mit klarem Verstand begutachtete ich es von allen Seiten. Es war spitz genug, um dem hier ein Ende zu setzen. Ein Ende, welches ich so dringend benötigte.
    Nach einem kräftigen Atemzug setzte ich mit der schärfsten Ecke an meinem linken Unterarm an. Drückte stark hinein, bis der Schmerz beinahe unerträglich war. Bis der Schmerz alles andere betäubte.
    Mit weit geöffneten Augen sah ich das Blut an meinem Arm herablaufen. Es tropfte auf die restlichen Fragmente. Meine rechte Hand hielt noch immer fest an dem einen Stück und presste es in mein Fleisch. Langsam bewegte ich es an meinem Arm entlang, bis sich meine Wunde vergrößerte.
    Mein Herzschlag war ruhig. Mein Puls normal. Ich hatte keine Angst mehr, denn es war genau das, was ich jetzt wollte. Ein Ende.
    »Mia! Stopp! Hör auf.« Die Stimme meines Vaters ließ mich die Scherbe zu Boden fallen lassen.
    Geschockt sah ich ihn an und zurück auf meinen triefenden Schnitt. Bei meinen Füßen bildete sich bereits ein kleiner Blutsee. Mein Hosensaum färbte sich rot. Und ich sah dem allen regungslos zu.
    »Mia, press das auf den Schnitt.« Papa legte mir ein Handtuch auf meinen Arm und hob mich hoch.
    »Drück drauf!«, befahl er, nahm meine rechte Hand und legte sie auf das Tuch. Mit festem Griff um meine Hüfte beförderte er mich aus der Tür hinaus, die Treppen hinunter und zu seinem Auto.
    »Halt gut drauf. Verstehst du mich?«, fragte er besorgt, als er durch den späten Nachmittagsverkehr raste. »Wieso?«, flüsterte er.
    Ich gab ihm keine Antwort, sondern starrte nur aus dem Fenster und auf meinen Arm. Das weiße Handtuch wurde von Minute zu Minute roter. Es war faszinierend zuzusehen, wie sich jede Faser des Stoffes einfärbte. Einige Tropfen landeten auf meiner Jeans. Ich gab keinen Druck auf die Wunde. Sie tat nicht weh. Diese Verletzung war mein Ende,

Weitere Kostenlose Bücher