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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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dennoch weithin vernehmbar.
    »In jenen Jahren habe ich vieles gesehen. Ich habe fünf Sommer miterlebt, in denen so wenig Regen fiel, dass die Flüsse versickerten, bis ihre Ufer zahnlosen Kiefern glichen. Jene Zeit hat geendet. Auch diese wird enden. Ich habe Winterstürme miterlebt, die unsere Mauern halb mit Schnee verschütteten und uns von einem Mond bis zum nächsten zu Gefangenen machten. Jene Zeit hat geendet. Auch diese wird enden. Und ich habe so reiche Ernten miterlebt, dass wir zu wenig Scheunen hatten, um alles zu lagern. Und auch jene Zeiten haben geendet. Jetzt jammert ihr wie Kinder, die wegen des Regens nicht zum Spielen nach draußen können. Aber ich sage euch, auch diese Zeit wird nicht von Dauer sein.«
    Er sprach bedächtig, ein freundlicher Großvater, der ungestüme Jungen schalt, und der eine oder andere senkte verschämt die Augen zu Boden.
    »Die Laune eines Menschen ist wechselhaft; bald ist er glücklich, bald trübsinnig. Auch unsere heilige Mutter Erde durchlebt ihre Launen und Veränderungen. Wollt ihr sie verlassen, weil sie jetzt gerade weint? Für Männer, die keine Heimat mehr haben, mag es wohl sein, dass ein Land so gut wie das andere ist. Die Myrginge aber leben hier, seit Mannus selbst auf Erden wandelte. Wir sind ein freies Land und ein freies Volk, das einzig diesem Boden verbunden ist.«
    Behutsam bückte sich Eadguth und ergriff eine Hand voll schlammiger Erde. Dann hielt er sie hoch, und das Wasser strömte zwischen seinen Fingern hervor und rann ihm wie braunes Blut die Hand hinab.
    Die Gebeine meiner Mutter liegen in dieser Erde begraben, dachte Oesc. Wenn ich von hier fortgehe, verliere ich sie nun ganz. Doch sein Vater stand immer noch neben ihm, und seine Knochen waren in warmes, lebendiges Fleisch gehüllt.
    »Wollt ihr diese heilige Erde, die unserer Väter Blut gesegnet hat, verlassen um eines fremden Landes willen? Vielleicht wird es euch, so wie Octha behauptet, nach einer Weile anerkennen. Ich aber sage euch, das wird nicht zu euren Lebzeiten geschehen, ebenso wenig zu jenen eurer Kinder. Bleibt, Männer der Myrginge und alle jene, die wir hier willkommen geheißen haben. Bleibt und verteidigt das Land, das euch ernährt.«
    Einige der Männer knieten ehrfürchtig nieder und betteten die Hände auf das feuchte Gras, andere hingegen blieben stehen, die Häupter gedankenvoll geneigt.
    Geflaf trat wieder vor. »Der Myrging-König hat gesprochen. Geht nun, Männer und Sippenälteste, freie Menschen unseres Volkes. Sprecht miteinander, und wenn die Sonne auf das Meer zusinkt, dann kehrt zurück und verkündet eure Entscheidung.«
    Damit wandte er sich ab, und die Männer fanden sich zu Gruppen zusammen, um sich zu beraten.
    »Was jetzt?«, fragte Octha, der beobachtete, wie König Eadguth sich langsam den Weg zurück zur Halle bahnte.
    »Jetzt warten wir«, antwortete Geflaf. Auch er beobachtete den König, und Oesc sah Kummer in seinem Blick.
     
    Oesc erschien jener Tag überaus lang, länger noch als der Tag vor dem Mittsommerfest. Er versuchte ihn damit zu füllen, seinem Vater zu zeigen, wo Hildeguth begraben lag und wo unter dem Strudel die besten Plätze waren, um Fische zu fangen. Sogar zu den Götterbildern im geheiligten Sumpf führte er ihn, doch er spürte, dass Octhas Aufmerksamkeit woanders war. Und während die Sonne ihren Karren über die Gefilde des Himmels zog, steigerte sich seine Unruhe, bis es an der Zeit war, die Schritte wieder zu der großen Eiche zu lenken.
    Im Westen schimmerte die Sonne in bernsteinfarbenen und rosigen Tönen. Der untergehende Feuerstern sandte breite Lichtstreifen aus, als wollte er den Weg nach Britannien weisen. Über den Ländern der Myrginge aber war unendlicher Friede eingekehrt. Sogar das Meer lag still da, die Wasser klar und blau, und jedes Blatt, jeder Grashalm schien in den goldenen Schimmer des Sonnenuntergangs getaucht. Wirkte das Land deshalb so atemberaubend, fragte sich Oesc, weil er es womöglich bald verlassen würde? Dann schaute er sich abermals um und dachte: Aber vielleicht gehen wir ja gar nicht. Es ist so wunderschön. An einem solchen Abend könnte niemand die Entscheidung treffen, von hier fortzureisen.
    König Eadguth kam wieder herbei, setzte sich auf den geschnitzten Stuhl und musterte sein Volk mit halb geschlossenen Augen. Auch die Menschen versammelten sich wieder um den mächtigen Baum.
    »Männer der Myrginge!«, ergriff Geflaf das Wort, nachdem wieder Schweigen eingekehrt war. »Die Sonne

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