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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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drehte sich ins Licht. Die weise Frau bemerkte die dunklen Augen unter den buschigen Brauen, den braunen Bart, durch den sich nur wenige silbrige Strähnen zogen, und sie stieß in einem langen Seufzer den Atem aus. Es war nicht der Gott. Doch ebenso wenig, dachte sie, als andere Sinne der Ausstrahlung gewahr wurden, die ihn umgab, war er gänzlich ein Mensch. Und mit diesem Wissen vermeinte sie ihm einen Namen zuweisen zu können.
    »Merlin Witega, Heil Euch! Seid willkommen in dieser Halle!«
    Als er dieserart begrüßt wurde, weiteten sich seine Augen vor Staunen, und eine Spannung, die auf ihm zu lasten schien, verflog.
    »Mögt auch Ihr gesegnet sein, weise Frau. Ich habe gehört, im Hause des Königs weile eine Kräuterkundige, und mich dünkt, dass Ihr es seid.«
    In Anerkennung des Lobes neigte Haedwig das Haupt. Es war ihr wohl bewusst, dass er die Gabe besaß, die Ausstrahlung ihrer eigenen Macht trotz des alten Kopftuchs und der Schürze, die sie trug, wahrzunehmen.
    »Dann kommt mit mir. Der König ist zwar krank, aber es geht ihm gut genug, um mit Euch zu sprechen. Vielleicht schämt er sich in Eurer Anwesenheit, gegen dieses Gebräu zu protestieren.«
    Seine breiten Nasenflügel blähten sich, doch Haedwig hielt es für unwahrscheinlich, dass er von dort, wo er stand, den Duft wahrnehmen konnte. Dann erkundigte er sich, ob der Husten des Königs schon lange andauerte, und ihr wurde bewusst, dass er die Kräuter tatsächlich erkannt hatte.
    »Wir waren nicht sicher, ob Hengest überhaupt noch lebt.« Seine tiefe Stimme schien aus der Tiefe seines Bauches herauf zu grollen. »Ich habe ihn gekannt, als ich ein Knabe am Hof des Vor-Tigernus war.«
    »Er ist alt, aber sein Verstand ist noch scharf und ungetrübt«, beantwortete Haedwig seine unausgesprochene Frage.
    Ein verstehendes Lächeln teilte den wallenden Bart. »Dann wird er sich an mich erinnern. Aber es wäre besser, wenn ich für alle anderen lediglich einen Boten verkörpere«, meinte er, und Haedwig, die daran dachte, dass Oesc immer noch Merlin die Schuld an dem Zauber gab, der den Tod seines Vaters herbeigeführt hatte, musste ihm beipflichten. Dann schob er die Tür auf, und sie betraten gemeinsam die Halle.
     
    Er ist ein alter Mann, redete Merlin sich ein, während sie an leeren Essbänken vorbei den Weg zum Thron gingen. Er kann dir nichts mehr anhaben. Doch irgendwo in seinem Inneren lebte immer noch ein Kind, das sich Hengests als einer überragenden Macht entsann, die ihn mühelos zu zerquetschen vermochte. Der Mann vor ihm aber erinnerte nur noch durch den adlergleichen Blick an den einstigen Kriegsführer des Vor-Tigernus. Wer hätte gedacht, dass der schreckliche Hengest so alt werden würde?
    »Ob es mir gut geht?«, wiederholte Hengest die Frage. »In meinem Alter genügt es, am Leben zu sein. Zweifellos erscheinst du selbst Artor als steinalt.« Verkniffen lächelte er. »Ich habe all meine Feinde und die meisten meiner Freunde überdauert. Trotzdem werde ich weiteratmen, bis mein Enkel alt genug ist, um zu herrschen. Uthers Sohn schmückt sich zwar bereits mit dem Titel König, aber waren es seine Berater oder er, die dich hergeschickt haben?«
    »Seine Berater«, gestand Merlin. »Dennoch ist der Junge kein Schwächling. Zu gegebener Zeit wird er ein mächtiger Anführer sein, im Frieden wie im Krieg.«
    »Ich hoffe doch, du bist nicht gekommen, um zu verkünden, dass Artor Cantium von mir zurückfordert. Selbst die Hitzköpfe seines Rates müssten wissen, dass wir in dieser Erde bereits zu tiefe Wurzeln geschlagen haben.«
    »Ebenso wenig bin ich gekommen, um zu fragen, ob Ihr Euch Artors Jugend zunutze machen wollt, um Londinium anzugreifen«, entgegnete Merlin höflich. »Was mein König und sein Rat Euch anbieten, ist ein Vertrag, der Euren Besitz dieser Länder bestätigt, und zwar als Gegenleistung für Eure Unterstützung gegen jedweden sächsischen König, der versucht, seine Gebiete auszuweiten.«
    Hengest brach in harsches Gelächter aus, trank einen Schluck von der Brühe, verzog das Gesicht und stellte die Schüssel wieder ab. »Warum kommst du deshalb zu mir? Ich bin nicht der Oberkönig der Sachsen. Glaubst du etwa, sie würden auf mich hören?«
    Sie mögen dir zwar nicht gehorchen, alter Wolf, aber sie hören dir zu, dachte Merlin, als der greise Mann fortfuhr. Was verschweigst du mir?
    »Solange ich lebe, werden die Krieger von Cantuware nicht gegen euch ins Feld ziehen. Für die anderen kann ich keine Gewähr

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