Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
Eheweib als gleichwertig, und meine Mutter stieg aus freien Stücken in Maglos’ Bett. Aber die christlichen Priester nennen sie eine sächsische Hure und mich einen Bastard. Ich musste um jedes Stückchen Essen und um jedes zustimmende Nicken kämpfen, doch die Söhne der christlichen Frau meines Vaters fielen im Kampf, während ich überlebte und mir eine Frau aus dem Volk meiner Mutter suchte. Maglos hat keine andere Wahl mehr, als darauf zu vertrauen, dass ich und meine sächsische Verwandtschaft ihn verteidigen. Ich habe bereits zu viel erreicht, um noch an meinem Schicksal als Eroberer zu zweifeln.«
Oesc glaubte ihm. Ceredic versprühte Ehrgeiz wie ein Ofen Wärme. Und was ist mein Schicksal?, fragte er sich. Doch noch während er den Gedanken zu Ende führte, flammte in ihm die Erinnerung an Lampenschein auf dunklem Wasser und einen Windstoß auf.
Mein Schicksal ist es, ein König zu sein…
Haedwig tauchte den Löffel in die Brühe, kostete sie und beschloss, noch ein wenig mehr Wasserhanfwurzeln und Malvensaft hinzuzufügen; das Gebräu war noch zu bitter, und der König würde sich weigern, es zu trinken. Während sie die Zutaten hinein träufelte, beugte sie sich über den Kessel und flüsterte:
»Wasserhanf, Wasserhanf, wundersamstes der Kräuter
du besitzt Macht gegen große und kleine Gebrechen,
gegen Gift und alle Entzündung,
gegen den bösen Feind, der durch die Lande streift…«
Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Pflanze, von der die Wurzel stammte, die breiten Blätter mit Dornen gespickt, die fahlen, rosa Blüten Glocken gleich, die in der Brise schwangen. Manchmal nannte man die Pflanze auch Beinwell, doch sie besaß auch gewaltige Heilkraft bei inneren Krankheiten. Die Malve würde das Gebräu lindern und ihm den bitteren Geschmack nehmen.
Hengest war nie und nimmer bereit zuzugeben, dass er krank war, obschon der Husten, den er von seinem Besuch in Haestas Halle mit nach Hause gebracht hatte, den ganzen Winter angehalten hatte und sein Leib inzwischen ausgemergelt wirkte wie die über den Stöcken hängende Pferdehaut am Opferteich. Ihre aufwendigeren Heilverfahren waren wirkungslos, solange der Kranke sich einzugestehen weigerte, dass er ihrer bedurfte. So blieb ihr nur, sein Essen und Trinken so unauffällig wie möglich mit Heilkräften zu versehen und ihre Zaubersprüche über den Kesseln zu singen, während sie den Sud zubereitete.
Eadguth hatte sich im Greisenalter ziemlich ähnlich verhalten. Wieso , fragte sie sich, habe ich so viel Zeit meines Lebens damit verbracht, alte Männer zu umhegen? Doch der Gott, dem sie diente, zeigte sich häufig in der Maske greiser Männer, folglich war es vielleicht doch nicht so überraschend.
Und als Ausgleich für den alten Mann hatte sie Oesc, wenngleich der Junge dieser Tage die meiste Zeit draußen verbrachte, jagte, die Gegend erforschte oder sogar den Bauern bei der anfallenden Arbeit half. Nach seinem Gelübde an der heiligen Quelle war dies wohl unvermeidlich, vermutete sie. Die Göttin des Landes sprach aus jedem Baum, jedem Hügel zu ihm, und im Laufe der Zeit würde er lernen, sie zu verstehen.
Oesc suchte die weise Frau gelegentlich auf, um sie um Salben für schmerzende Muskeln zu bitten, manchmal auch darum, eine Wunde zu verbinden. Alles in allem jedoch war er ein gesunder junger Mann, wofür Haedwig den Göttern dankte.
Noch einmal rührte sie die Brühe um, dann schöpfte sie das Gebräu behutsam in eine geschnitzte Hainbuchenschüssel, deren Oberfläche eine dicke, im Lauf der Zeit angesammelte Patina geglättet hatte, und trug es über den Hof in die Halle. In den Jahren, seit Hengest sie zwischen zwei gut erhaltenen römischen Gebäuden errichtet hatte, waren an der Westseite Bäume gewachsen, die den Bau gegen das unkrautüberwucherte Ödland abschirmten. Die halb verbrannten Hütten, die dort gestanden hatten, waren inzwischen niedergerissen worden, um Baumaterial zu gewinnen. Es war nun ein friedlicher Ort. Das Sonnenlicht des Nachmittags schien durch die Äste; es schimmerte auf den jungen Blättern und malte ein Schattenmuster auf den Pfad.
Als sie den Pfad überquerte, fügten sich einige Schatten zu einer menschlichen Gestalt, zu einem hageren, in einen Mantel gehüllten Mann, der sich auf einen Stock stützte. Haedwig hielt inne; ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Höchster, dachte sie stumm, bist du es?
Als hätte er die Berührung ihres Geistes gespürt, richtete der Fremde sich auf und
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