Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
häßlichste Junge, der je gelebt hat; seine Seele war dunkel und kalt. Um ihren Sohn für das Mißgeschick seiner Geburt zu entschädigen, beschloss Ceridwen, ihm einen Trank zu brauen, der ihm die Gabe der Inspiration und der Weisheit verleihen würde sowie die Fähigkeit, alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige zu wissen. Nachdem sie die nötigen Zauberkräuter gesammelt hatte, warf sie diese in den Kessel und setzte ihren Ziehsohn Gwion daran, das Gebräu ein Jahr und einen Tag lang umzurühren. Als die Zeit verstrichen war, spritzten drei Tropfen des heißen Suds auf Gwions Daumen. Als der Knabe darauf den Daumen in den Mund steckte, um ihn zu kühlen, wurde er von der Macht des Trankes erfüllt. Nachdem dieser seine Essenz verloren hatte, war der Rest giftig, und der Kessel zersprang.
Gwion wusste sogleich, dass sein Leben in Gefahr war, und floh. Als Ceridwen den geborstenen Kessel sah, wurde sie zornig und verfolgte Gwion in Gestalt einer schwarzen Hexe. Sobald Gwion sie kommen sah, benutzte er seine neuen Kräfte und verwandelte sich in einen Hasen. Ceridwen verwandelte sich daraufhin in einen Jagdhund. Immer wieder veränderte er seine Gestalt, aber Ceridwen tat es ihm nach. Als er sich schließlich in ein Weizenkorn verwandelte, da er sich so zwischen den Tausenden anderer Weizenkörner sicher fühlte, nahm Ceridwen die Gestalt eines Huhns an und pickte ihn auf. Neun Monate später kam sie nieder und brachte einen verwandelten Gwion in Gestalt des allsehenden Dichters Taliesin zur Welt.
Das Bild von der Hexe und ihrem Kessel ist das, was von dieser Geschichte übrig bleibt, bis zu den drei Hexen in Shakespeares Macbeth und der bösen Hexe in den Märchen der Brüder Grimm. Doch die Geschichte von Ceridwen zeigt, dass der Kessel an sich weder gut noch böse ist. Für den Unwürdigen bringt er den Tod. Nur dem Auserwählten, meist dem Unschuldigen, wird die Verwandlung zuteil.
Die Schätze der Kelten
Die Sagen der Kelten sind voll von Verwandlungen und übermenschlichen Taten; es wundert daher nicht, dass es auch eine Vielzahl von magischen Gegenständen darin gibt, die zum großen Teil selbst eine Geschichte haben.
Die Geschichte Culhwch und Olwen, die zu den späteren Episoden des Mabinogion gehört, erzählt von dreizehn Schätzen, die Culhwch, ein Vetter Arthurs, dem Häuptling der Riesen als Brautgabe für dessen Tochter Olwen erbringen soll. Nach dieser Sage bestanden die dreizehn Schätze aus einem Schwert, einem Korb, einem Trinkhorn, einem Streitwagen, einem Halfter, einem Messer, einem Kessel, einem Wetzstein, einem Gewand, einer Pfanne, einem Teller, einem Schachbrett und einem Mantel, alle mit wundersamen Eigenschaften versehen. Im Buch von Leinster wird die Geschichte von den drei Söhnen Tuirenns erzählt, die in ähnlicher Weise wie Culhwch und Arthur magische Gegenstände gewinnen müssen, in diesem Fall als Sühne für einen Mord. Dabei geht es um Äpfel des Lebens, ein Eberfell, einen Speer, einen Streitwagen mit Pferden, eine Schweineherde, einen Hundewelpen und einen Bratspieß. Daß es bei solchen Listen Diskrepanzen gibt – selbst innerhalb verschiedener Versionen der Legende –, ist nicht verwunderlich. Jeder hatte von den Schätzen der Vorzeit gehört. Worin sie bestanden und woher sie kamen, darüber gab es unterschiedliche Auffassungen. Einig war man sich ferner darüber, dass sie in dieser Welt nicht mehr existierten.
Dass die dreizehn Schätze Britanniens heute nicht mehr auf Erden sind, wird mit der Geschichte von Merlins Abschied verbunden. In der Legende ist es Bardsey Isle vor der Küste von Caernavonshire, wohin sich Merlin, begleitet von neun Barden – was den Namen der Insel erklärt –, am Ende mitsamt jenen Schätzen zurückzog.
Die einzige Mythologie innerhalb des keltischen Kulturkreises, welche diese Vielzahl von heiligen Gegenständen auf ein begriffliches System reduziert, ist die irische.
Die dort geschaffene Ordnung ist so stringent, dass sie durch das ganze christlich überformte Mittelalter und zum Teil bis in die heutige Zeit nachwirkt.
Die vier Schätze von Erin
Die Geschichte der Tuatha De Danann, wörtlich übersetzt als »Volk der Göttin Dana«, ist enthalten im Leabhar Gabhálla Éireann, dem »Buch der Eroberungen Irlands«, einem irischen Manuskript des 12. Jahrhunderts. Die keltische Mythologie, soweit überliefert, enthält keine Geschichte über die Entstehung der Welt. Das mythologische Irland wurde als ein
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