Sehnsuchtsvolles Wiedersehen (German Edition)
Sehnsuchtsvolles Wiedersehen
O liver stand vor dem Spiegel im Badezimmer und betrachtete sich aufmerksam. Das dunkle Haar hatte er mit viel Gel zu einer Stehfrisur gestylt, und seine grauen Augen leuchteten verführerisch. Es war sein erster Tag auf diesem Luxusliner, auf dem sich ein paar Tausend Leute befanden. Gut gelaunt nahm er sich vor, sich gleich unter die Menge zu mischen.
„Auf einen hoffentlich tollen Abend!“, sagte er zu sich selbst, kehrte seinem Spiegelbild den Rücken zu und ging in Richtung Kabinentür, um hinaus auf den langen Flur zu treten. Gemächlich schritt er zum Lift, der ihn in den Rumpf des Schiffes bringen würde. Feiern war angesagt, da er in den letzten Monaten genug Stress im Job und in seinem Privatleben gehabt hatte. Er brauchte diesen Urlaub dringend, der ihn vom Alltag und vor allem von der Trennung seines langjährigen Partners hinwegtrösten sollte. Auf dem Dampfer, das hatte er schon vor dem Beziehen seiner Kabine gehört, befand sich auch eine große Reisegruppe, die vorwiegend aus Schwulen bestand.
Als er mit dem Fahrstuhl unten ankam und die Türen mit einem Zischen zur Seite wichen, drangen sofort laute Beats an seine Ohren, und ein strenger Zigarettenqualm kroch ihm unangenehm in die Nase. Beim Betreten des riesigen Tanztempels, in dem unzählige Leute zu den Bässen herumwirbelten, fiel ihm auf, dass tatsächlich einige schwule Pärchen in den Ecken herumstanden und sich bei einem Glas Cocktail lachend amüsierten.
Guter Anfang! , dachte Oliver bei sich und setzte sich auf einen Barhocker an die Theke, um sich einen Drink zu bestellen. Der Barkeeper sprach nur englisch und war völlig in seine Arbeit vertieft, sodass Oliver kurz nach links und rechts blickte, um zu sehen, wer neben ihm auf den Nebenhockern saß. Die Männer schienen ihn jedoch nicht zu bemerken, da sie stumm vor sich hinstarrten und eine Zigarette nach der anderen qualmten.
Als er sein Glas endlich in der Hand hielt, stand er auf und drehte sich um. Mit dem Rücken gegen die Bar gelehnt, beobachtete er die tanzwütigen Teufel auf der großen Fläche, als er jäh erstarrte. Abseits des Getümmels bemerkte er jemanden, den er sehr gut kannte, von dem er jedoch nicht gewusst hatte, dass er sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls auf dem Schiff befand: Kai!
Aufgewühlt leerte Oliver sein Glas in einem Zug und stellte es hinter sich auf die glatte Abstellfläche. Was zum Teufel hatte Kai hier zu suchen?
Kai und er hatten fünf Jahre zusammen verbracht. Und eigentlich, jedenfalls hatte Oliver das immer geglaubt, waren sie ein glückliches Paar gewesen.
Der Urlaub, da war er sich sicher, würde ihm unter den gegebenen Umständen keine Erholung mehr bieten. Nicht nachdem, was er soeben gesehen hatte. Kai stand mit einem Brünetten in der Ecke und amüsierte sich dem Anschein nach blendend, was Oliver innerlich fast erdrückte. Er musste sich eingestehen, Kai noch immer zu lieben. Diesen hier und jetzt mit einem anderen Kerl zu sehen, verschlug ihm beinahe die Sprache und benebelte seinen Verstand. Wäre es nach ihm gegangen, würden sie nach wie vor zusammen sein. Doch Kai hatte sich von ihm getrennt, um für ein Jahr wegen eines neuen Jobs ins Ausland zu gehen und sich als Manager den Lebensunterhalt zu verdienen. Er war der Ansicht, ein Jahr Trennung würde ihre Beziehung vermutlich nicht überleben. Also hatte Kai Schluss gemacht. Doch als Oliver ihn jetzt so beobachtete, beschlich ihn langsam das Gefühl, dass Kai ihn nicht wirklich zu vermissen schien. Sauer über die Bilder, die sich ihm gerade boten, ging er auf die Tanzfläche und begann zu tanzen. Keine Minute später gesellte sich bereits ein Mann zu ihm. Auch wenn Oliver nicht vorgehabt hatte, mit einem Typen diesen Stimmungstempel zu verlassen, so wurde ihm langsam klar, dass er die restlichen Tage und Nächte, wie zunächst von ihm beabsichtigt, nicht alleine verbringen wollte.
Der Mann an seiner Seite entpuppte sich als Tobias, der mit ein paar Freunden hier seinen Urlaub verbrachte. Tobias zerrte ihn nach ein paar Minuten schweißtreibender Bewegungen von der Tanzfläche und zog ihn zu einem der runden Tische, die an der Wand ganz in der Nähe der Theke standen, um sich zu setzen.
„Woher kommst du?“, fragte Tobias neugierig nach. Er war dunkelblond und um die fünfundzwanzig.
„Aus Klagenfurt, und du?“
„Aus Wien. Aber ich sag`s dir gleich, ich habe einen Freund zu Hause, den ich nicht betrügen werde.“
Damit hatte Oliver nicht
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