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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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nicht mehr, aber das Einwohnermeldeamt in Hagen hatte die neue Unterkunft der Osterlohs vermerkt, und der Brief wurde weitergeleitet. Er selbst war damals noch interniert gewesen, aber seine Mutter hatte Edith zurückgeschrieben. Ja, Karl lebe und werde bald entlassen werden.
    Noch bevor er Edith wiedersah, die Frau, mit der er sich während des Krieges, vor Urzeiten, wie es ihm schien, verlobt hatte, traf Karl seinen Jugendfreund Theo wieder. Das war im Sommer 1946 in der Arztpraxis von Hermann Gronau. Den kannten sie beide aus den Jahren vor dem Krieg.
    Kaum hatte Karl das Wartezimmer betreten, war ein großgewachsener, dunkelhaariger junger Mann von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte gerufen: »Mensch, Karlemann, du!«
    »Theo!«
    Da lagen sie sich in den Armen. Wunderten sich nicht, dass sie sich wiedergefunden hatten. Aber dass sie es beide zurück nach Hause geschafft und überlebt hatten!
    Karl, dem nie die Tränen kamen, außer wenn er glücklich war, musste sehr an sich halten.
    »Heulsuse.« Theos vertrautes Grinsen machte die Sache noch schlimmer. »Bist ja wie deine Schwestern   …«
    »Marie   …«, begann Karl.
    »Ich weiß«, antwortete Theo und lachte nicht mehr. Marie, Karls jüngere Schwester, war bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. »Ich bin schon eine Weilezurück. Ich habe deine Mutter mal besucht. Da warst du noch im Lager.«
    »Und deine Eltern?«, fragte Karl.
    »Ich wohne bei ihnen«, entgegnete Theo.
    Da wurde die Tür zum Behandlungszimmer aufgerissen. Die Patienten zuckten zusammen, aber mit einem gewissen Gleichmut. Der Doktor tat immer so, als gelte es den Feind mit einem Überraschungsangriff zu überwältigen. Aber jetzt war er selbst überrascht.
    »Ihr?«, donnerte er, als er Karl und Theo entdeckte, »und gleich alle beide?« Er sah in die Runde und schien blitzschnell seine Patienten abzuschätzen. Dann verkündete er: »Kommen Sie rein, Frau Wiebe. Aber danach ist die Praxis für heute geschlossen. Und ihr«, er wandte sich an Karl und Theo, »ihr geht schon mal vor in die Altstadtklause. Ich komme gleich nach. Das Wiedersehen müssen wir feiern. Ihr könnt mir dann dort erzählen, wie krank ihr seid.«
    Die Patienten warfen den beiden böse Blicke zu, wagten aber nicht zu protestieren. Der Doktor war eben so. Entweder man nahm ihn, wie er war, oder man suchte sich einen anderen. Dafür behandelte er einen, wenn er gerade da war, mit schlafwandlerischem Gespür. Notfalls kam er auch nachts nach einem sehen.
    »Ich hab’s an den Nieren«, sagte Karl zu Theo. »Kannst du dir vorstellen, wie einem da nach Feiern zumute ist?«
    »Da wird er dich mit Bier durchspülen«, sagte Theo. »Bringt bei mir nichts. Ich habe mich geschnitten, die Wunde heilt nicht ab.«
    »Dann wirst du wahrscheinlich mit Korn desinfiziert«, erwiderte Karl.

2
     
    Hermann Gronau war ein paar Jahre älter als sie und schon Fähnleinführer gewesen, als sie noch Pimpfe im Jungvolk waren. Karl und Theo bewunderten ihn unglaublich, weil er so viel über Flugzeuge wusste. Sicher war es Hermann zu verdanken, dass sie beide später unbedingt zur Luftwaffe wollten, fliegen oder wenigstens irgendwie damit zu tun haben. Dabei stach keiner von ihnen bei den sportlichen Wettkämpfen, den ewigen Angriffsspielen hervor. Wahrscheinlich war es genau das, was Karl und Theo zusammenbrachte: ein gewisser Mangel an Forschheit. Dennoch schien Hermann sie aus irgendeinem Grund zu mögen. Begeistert von der großen Sache waren sie ja.
    Karl sah als Junge aus, wie der Führer sich seine Jugend nur wünschen konnte: Schlank und blond, die glatten Haare fielen ihm über die Stirn bis in die blauen Augen, und blitzend weiße Zähne hatte er, ein überaus gewinnendes Lächeln. Theo wäre auch gern blond gewesen, aber Karl hatte ihm gesagt, er fände dunkle Haare männlich. Theo war als Kind ein bisschen pummelig, deshalb nannte Karl ihn den »Dicken«. Karl war der Einzige, der das sagen durfte, ohne dass Theo sauer wurde. Aus seinem Mund klang es so vertraut, als riefe ihn seine Mutter vom Spielen rauf, nur dass Theos Mutter das nie tat. Mit dem Stimmbruchwar Theo dann plötzlich in die Höhe geschossen und hatte allen Kinderspeck verloren.
    Als Jugendliche waren Karl und Theo beim Bann, in der Abteilung Kultur. Theo spielte die Posaune und machte bei Theateraufführungen mit, Karl malte mit schwarzer Tusche in deutscher Fraktur Buchstabe für Buchstabe an der Chronik des H J-Banns 138 »Mark«. Er hatte eine

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