Schrecken der Nacht
Das wußte Radescu, und er hatte die entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Jahrelang war er hinter Eros hergewesen. Er hatte sich auf seine Spuren gesetzt und vieles von dem, was er erfuhr, aufgeschrieben. Es war der Haß aus der Ferne, den beide Männer verspürten, als wäre eine Brücke gebaut worden.
Radescu war alt geworden in all den Jahren. Doch nicht so alt, daß er den letzten Kampf nicht durchstehen konnte. Obwohl er zusammen mit anderen in einem der Bergklöster lebte, war er immer ein Einzelgänger geblieben. Äußerlich und auch innerlich. Er hatte sich nie so richtig um seine Mitbrüder gekümmert, denn seine Aufgabe war es, einen eigenen Weg zu gehen.
Eros war ein Gigant. Ein Schrecken der Nacht. Einer, der alles überlebt hatte. Der nicht einmal wußte, ob er zu dieser Welt gehörte oder lieber in den Tiefen der Hölle schmorte.
Radescu hatte alles in die Wege geleitet. Er war den Berg hochgestiegen. Mühsam und mehr als einmal, denn auf dem höchsten Punkt des Felsens wollte er Eros erwarten.
In dieser Nacht würde er kommen.
Schon vor Anbruch der Dunkelheit hatte der Mönch es geschafft, die Bergspitze zu erreichen. In den Wochen zuvor hatte er das Holz hochgeschafft und auch die beiden schweren Balken, die das große Kreuz bildeten. Er hatte sie unter Mühen zusammengenagelt, doch jetzt war die Waffe fertig und lag bereit.
Auch den Scheiterhaufen hatte er bereits errichtet. Er brannte noch nicht, aber wenn die Dämmerung weiter fortgeschritten war, würde er das Holz anzünden.
Radescu war zunächst zufrieden. Auch sein Atem hatte sich wieder beruhigt, die mächtigen Anstrengungen lagen hinter ihm, jetzt konnte er sich auf den Kampf vorbereiten.
Noch war es nicht finster. Sein Blick schweifte über die schweigende Bergwelt hinweg. Er sah die Gipfel, die manchmal bewaldet waren oder nur den blanken Fels zum Vorschein brachten. Eine mächtige Kulisse, über der die letzten Strahlen der untergehenden Sonne schwebten und ihr einen feurigen Glanz gaben. Die Luft hier oben war kühler. Der Wind wehte über die Gipfel hinweg. Weiter unten ballte sich die Luft und staute sich zu einer Hitzewand zusammen. Die Menschen in den Tälern litten darunter, denn dieser Sommer war sehr heiß.
Stille umgab ihn. Wenn er Geräusche hörte, dann waren es nur seine eigenen Schritte oder der Atem, der über seine Lippen drang. In der Ferne schoben sich dunkle Wolken heran. Sie hatten eine breite Schicht gebildet und würden bald die Sonne verdunkeln, damit die Nacht freie Bahn hatte.
Radescu war nervös. Menschlich, denn die entscheidende Schlacht stand bevor. Wenn er es nicht schaffte, Eros zu besiegen, dann hatte nicht nur er verloren, sondern auch die Menschen, die verstreut in den einsamen Tälern lebten. Für sie war Eros die personifizierte Angst. Er war das Grauen, er war etwas, mit dem sie immer gelebt hatten und vor dem sie sich auch fürchteten, das sie jedoch nie wahrhaben wollten. Zu blutig war seine Spur gewesen, und er mußte einfach gestoppt werden. In den letzten beiden Jahren hatte sich der Mönch nur um ihn gekümmert und nichts anderes mehr getan.
Der Schwung und die Kraft der Jugend waren bei ihm dahin. Aber nicht die innerliche Stärke. Sie brannte nach wie vor wie eine Flamme, der er immer wieder Nahrung gegeben hatte. In den langen Nächten der Meditation und der Gebete war er in sich gegangen und hatte dort seine Aufgabe gefunden.
Zweimal war es zwischen ihm und dem Vampir zu Begegnungen gekommen. Einmal mitten in einer kleinen Stadt, als Eros um die Häuser geschlichen war. Ob er auf der Suche nach Beute gewesen war, wußte der Mönch nicht, aber beim Zusammentreffen hatte er ihm erklärt, daß es jetzt jemanden gab, der ihn jagen würde.
Eros hatte nur gelacht. Er war dann verschwunden. Tage später hatte Radescu von einem Fremden erfahren, daß in den Wäldern die Leichen von zwei jungen Frauen gefunden worden waren. Bleich, blutleer. Nicht nur gebissen, sondern zudem auf schreckliche Art und Weise regelrecht hingerichtet.
Die zweite Begegnung hatte an einer alten Mühle stattgefunden. Auch dort hatte Eros ein Opfer gefunden und es an das Mühlrad gebunden. Der Mönch war nur um wenige Minuten zu spät gekommen. Eros hatte sich damals nicht zum Kampf gestellt. Er war so schnell wie möglich verschwunden. Mit dem Versprechen, weiterzumachen.
Das sollte sich ändern.
Es würde sich ändern.
Und zwar in dieser Nacht.
Der Mönch stand auf dem Felsen und schaute der
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