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Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammendes Herz
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ihr getan hatte – und wie selten sie eine Berührung gespürt hatte, die einfach nur zärtlich war, nichts weiter. Sie schluckte und sagte: »Du hast da oben die Katastrophe perfekt vermieden. Guillouet wird dich jetzt natürlich hassen.«
    »Das lässt sich nicht ändern. Er führt ein Scheißkommando.« Er stieß einen schweren Seufzer aus. »Und das liegt nicht nur daran, dass er Seemann ist.«
    Durchaus möglich. Es gab viele Gründe, warum Männer, die nicht zum Captain taugten, auf diese Position gesetzt wurden. »Nun, so langsam glaube ich, dass ich mich geirrt habe, was den Grund betrifft, warum ihn die Franzosen aus ihren Diensten entlassen haben. Das war nicht wegen seiner Abstammung oder aus Geldgründen. Er ist ein Blindgänger.«
    Endlich umspielte wieder ein Lächeln seinen schönen Mund. Seine Augen öffneten sich – in ihnen stand jetzt kein Zorn mehr, aber auch keine Belustigung. Er sah sie nachdenklich an. »Mein Vater hat nur weniges gesagt, dem ich je zugestimmt habe, aber eines davon war: Es gibt Menschen, die Befehle geben, und Menschen, die Befehle ausführen. Ein Captain macht oft den Eindruck, welche zu geben, aber es gibt immer einen Vorgesetzten, dem gegenüber er sich verantworten muss, und einen Admiral, der sich gegenüber einem König oder einem Parlament verantworten muss, die sich wiederum ihrem Volk gegenüber verantworten müssen. Ein Mensch jedoch, der hier draußen sein Geld verdient, oder ein Söldner müssen niemandem Rede und Antwort stehen. Darum kann ein Mann, der dafür taugt, im Krieg das Kommando zu führen, durchaus ungeeignet sein, ein eigenes Schiff zu führen, weil da niemand mehr für ihn denkt und ihm sagt, was er zu tun und zu lassen hat.«
    Yasmeen sah das ganz ähnlich, musste aber dennoch grinsen. »Ich erinnere mich daran aus einer Predigt. Ich glaube, deinem Vater ging es darum, dass wir uns alle über unseren Platz täuschen und dass wir unsere Befehle alle von Gott bekommen.«
    Er grinste. »Ich nehme immer nur die Teile, die mir passen.«
    »Und was bist du für ein Mensch, Archimedes Fox?« Yasmeen wusste genau, was sie für einer war. »Gibst du Befehle, oder empfängst du sie?«
    »Ich bin ein Mensch, der einfach erledigt, was verflucht noch mal ansteht.« Er nahm ihre Hand und drückte einen warmen Kuss auf die Rückseite ihrer Finger. »Nun wollen wir einmal herausfinden, wohin uns diese Arbeit hier eigentlich führt.«

8
    Ihre Kabine war mit Hassans Unterbringung in keiner Weise zu vergleichen; er verfügte über eine eigene Toilette, einen Kleiderschrank, einen Schreibtisch sowie eine Koje, die nicht nur so schmal wie eine Planke war. Ein kleiner Tisch gestattete ihm, für sich allein zu essen, wenn er dies wollte – im Moment war eine große Landkarte darauf ausgebreitet. Hassan setzte sich in den zum Tisch gehörenden Polsterstuhl, trank still seinen Tee und überließ es Yasmeen und Archimedes, mit Ollivier, der kein Arabisch sprach, ihre Route zu besprechen. Auf dem Tisch hatte Ollivier diverse Bücher, Bündel von Notizen und alte Karten aufgehäuft.
    Die erste Stadt, auf die er zeigte, quittierte Archimedes mit einem Ächzen. »Nein«, sagte er. »Wien ist völlig leer geräumt. Ich bin siebenmal dort gewesen, insgesamt vier Monate vor Ort. Da ist schlicht nichts mehr übrig.«
    Yasmeen sagte: »Ausnahmslos alle, die ich dort hingefahren habe, sagen dasselbe. Dort lässt sich nichts mehr finden. Wien ist als Erstes aufgegeben worden, wurde also auch am längsten abgegrast.«
    »Ich bin nicht an Wien interessiert, sondern an einem Ort ganz in der Nähe. Ich hatte Gelegenheit, die Archive von Prinz Albert dem Schönen zu studieren«, erklärte Ollivier. »Seine Urahnin gehörte zu den Angsthasen-Habsburgern.«
    Als Angehörige der Herrscherfamilie in Wien und den umgebenden Fürstentümern während des Vordringens der Horde nach Europa hatten die Habsburger bis zum bitteren Ende gekämpft – und wurden in der Neuen Welt ebenso gefeiert wie da Vinci. Einige wenige Habsburger jedoch waren geflohen, was man ihnen zum Vorwurf machte; sie mussten in Theaterstücken und Historiendramen oft als Schurken und Feiglinge herhalten.
    Ollivier beförderte aus seinen Notizen einen kolorierten Holzschnitt zutage, der von einer Glasplatte geschützt war. Ausgeblichene Grün- und Brauntöne stellten Hügelland jenseits einer ummauerten Stadt dar, mit einem Fluss und schwimmenden Schwänen im Vordergrund. Die Dächer der Stadt waren allesamt in Orange und

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