Brook, Meljean - Die Eiserne See
die wenig Abgeschiedenheit boten, liefen Reihen von Kojen die Seiten des Decks hinab.
Stille machte sich breit, als Archimedes und Yasmeen die Leiter hinunterkamen, obwohl die Schiffer von ihrem Kommen gewusst haben mussten; die Geschichte von der Auseinandersetzung mit Guillouet hatte gewiss schon die Runde gemacht, bevor sie auch nur bei ihrer Kabine angekommen waren. Achtzehn Mann saßen an dem Tisch – es fehlten nur diejenigen, die gerade an Deck Dienst hatten. Yasmeen nahm Neugierde wahr und Verärgerung; niemand wollte ihr ins Gesicht sehen. Auch gut. Sie wusste nicht recht, ob diese Reaktionen eher darauf zurückzuführen waren, dass sie eine Frau oder dass sie Captain Corsair war, aber das würde sie noch früh genug erfahren.
Doch ganz gleich, ob diese Männer sich als ihre Feinde betrachteten, es war immer das Beste, man machte sich nicht den Koch zum Feind. Obwohl der Eintopf, der auf ihren Zinnteller klatschte, ihrer Crew nicht serviert worden wäre, lächelte Yasmeen und bedankte sich.
Archimedes ging mit ihr zum Tisch. Sie hatte ihm schon gesagt, wo sie sich am besten hinsetzten – der Erste Offizier hatte Einfluss auf die übrige Besatzung, und sie hatten bereits seine Bekanntschaft gemacht. Archimedes setzte sein charmantes Grinsen auf und blieb neben dem Hünen mit der Schwellung über dem Auge stehen.
»Gestern Nacht dachte ich, Sie hätten mich so hart erwischt, dass ich doppelt sehe. Nun weiß ich, dass das nicht stimmt.«
Der Erste Offizier lachte und machte Platz auf der Bank. Ihm gegenüber tat sein Zwillingsbruder das Gleiche. »Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass ich mit Archimedes Fox kämpfen würde. Dann hätte ich mir vorher noch die Knöchel blank poliert.«
Yasmeen setzte sich neben ihn, während Archimedes um den Tisch herumging. Der Erste Offizier sah sie kurz an, doch da sie in der Schlägerei doppelt so viele Männer erledigt hatte, begrüßte er sie nicht mit einem Scherz wie eben Archimedes. Es war ihr recht. Diese Männer brauchten sich in ihrer Gegenwart nicht wohlzufühlen. Sie war hier, um zu beobachten und zuzuhören, nicht, um Freunde zu gewinnen.
Sie nahm einen Zwieback, brach ihn durch und riss die Augen auf. Er war voller Würmer.
Das Murren kam von weiter den Tisch hinunter. »Denkt wohl, sie hat Besseres verdient als unsereins.«
Nein, Würmer störten sie nicht – sie verstand nur nicht, warum ein Luftschiff verdorbene Vorräte an Bord haben musste. Im Gegensatz zu einem Segelschiff, das vielleicht wochenlang keinen Hafen ansteuerte, konnte ein Luftschiff doch problemlos frische Vorräte aufnehmen.
Sie biss ein Stück ab, suchte nach ungewöhnlichen Geschmacksnoten. Der Eintopf aus Gerste und eingesalzenem Rindfleisch hatte bereits angefangen zu gerinnen. Der verwässerte Grog schmeckte grausig, aber man konnte alles ungefährdet zu sich nehmen – und es kam alles aus derselben Quelle. Sie sah Archimedes an und nickte knapp.
Ein dürrer Schiffer zu seiner Rechten räusperte sich. »Ein Jammer, was mit der Lady Corsair passiert ist, Captain. Ein feines Schiff, das war sie. War immer eine Freude, sie in der Luft zu sehen.«
»Die ist kein Captain.« Das kam vom anderen Ende des Tisches. »Sie hat kein Schiff, keine Crew, keinen Auftrag. Sie ist kein Captain.«
»Sie ist mein Captain«, sagte Archimedes.
Yasmeen lächelte und wartete ab.
» Mon capitaine ?« Der Bruder des Ersten Offiziers hob den Kopf. »Auf diesem Schiff gibt es ›mein Bier‹ und ›mein Gott‹, aber nicht ›mein Captain‹.«
Überall am Tisch wurde gelacht und Beifall gerufen. Archimedes zog eine Augenbraue hoch. Yasmeen schüttelte den Kopf. Sie machten sich nicht über ihn lustig; im Gegenteil, ihre Reaktionen zeigten ihr, was sie sich erhofft hatte: Ein Großteil dieser Männer war einmal zur See gefahren, aber ihre Bindung zur Marine war nicht so fest, dass der Humor auf der Strecke geblieben wäre.
»Mein bist du trotzdem«, sagte Archimedes und sah ihr in die Augen.
Yasmeens Lippen öffneten sich. Wie machte er das? Es war eine vertrauliche, besitzergreifende Bemerkung vor einer Crew gewesen, und dennoch schwächte er damit nicht ihre Position, sondern stützte sie.
Ratlos sah sie zu dem dürren Schiffer neben ihm, der sich lobend über ihre Lady geäußert hatte. »Vielen Dank, Mr …?«
Er wurde rot. »Leroy, Ma’am.«
»Vielen Dank, Mr Leroy! Es war auch jedes Mal eine Freude, mit ihr in der Luft zu sein.«
Der Erste Offizier beugte sich vor und streckte
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