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Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Titel: Brother Sister - Hoert uns einfach zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Olin
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beschissenen Familienkram auf die Reihe zu kriegen, der immer an Will und mir hängen bleibt. Wenn ich unter Leuten bin, versuch ich, gut drauf zu sein. Aber das heißt nicht, dass ich sie an mich ranlasse.
    Wahrscheinlich hatte ich Minderwertigkeitskomplexe. Das zeigte sich auch beim Softballspielen. Manchmal stand ich irgendwo im Feld und wartete darauf, dass der Ball in meine Richtung flog. Aber ich passte nicht richtig auf, sondern träumte vor mich hin und hatte das Spiel nicht im Blick. Eigentlich konnte ich überhaupt nicht verstehen, warum sie mich immer wieder aufstellten. Nicht, dass ich ein Totalausfall wäre. Ich bin durchtrainiert, hab ein gutes Auge und kann Bälle sicher fangen. Aber wenn ich am Schlag bin, treff ich höchstens jeden zweiten Ball. Und dann meine Wurftechnik … Ich kann zwar weit werfen, aber zielen … Deswegen steckten sie mich ins rechte Outfield.
    Aber das Spiel gegen die Pumas war wirklich wichtig. Deshalb hab ich mir extra Mühe gegeben und versucht, mich zu konzentrieren. Ich hab genau hingeguckt und bin vor jedem gegnerischen Schlag in Position gegangen – Knie locker, ausgestreckte Fanghand, immer auf dem Sprung, egal, aus welcher Richtung der Ball kommen würde. Später, als ich am Schlag war, zwang ich mich, die Hand der Pitcherin genau zu verfolgen und den Ball nicht aus den Augen zu lassen, bis er in meine Strike Zone flog. Als ich dann mit dem Schläger ausholte, dachte ich sogar daran, mich mit dem hinteren Bein abzustoßen, weil man dann mehr Kraft in den Schlag legen kann, und mit dem ganzen Arm zu schwingen, also Schulter, Ellenbogen, Handgelenk. Ob ich den Ball traf, war mir fast egal. Wichtig war, dass ich voll bei der Sache war, mich konzentrierte und alles richtig machte. Dass ich mit dem Kopf dabei war, verstehen Sie?
    Das war auch nötig. Die Pumas waren nämlich richtig gut.
    Sie hatten eine Spielerin, Velasquez, die unheimlich groß und stark war, mit Waden wie Schweineschinken. Ihre Bälle waren Geschosse.
    Als ich im fünften Inning wieder am Schlag war, lagen wir drei zu eins hinten, obwohl Becca schon ihre Hundert-Stundenkilometer-Würfe gemacht hatte, die eigentlich kein Mensch parieren kann.
    Ich stand also ziemlich unter Druck.
    Wir hatten Spielerinnen auf der zweiten und dritten Base. Natürlich war ich die Letzte, die in diesem Inning an den Schlag kam. Weder die Pumas noch sonst jemand glaubte, dass ich das Spiel noch drehen würde, ich am allerwenigsten. Bei meinem ersten Schlag war der Ball direkt auf die dritte Base zugerollt, das zweite Mal hatte ich zwar mordsmäßig ausgeholt, den Ball aber nicht richtig getroffen. Also gab ich mir jetzt noch mehr Mühe. Die Outfielder spielten den Ball zur Home Plate zurück. Als ich an die Reihe kam und in Schlagposition ging, konnte ich direkt spüren, wie mein Team resignierte. So als wüssten alle, dass es vorbei war.
    Diese Situation war nicht neu für mich. Normalerweise hatte ich dann immer das Gefühl, dass alles um mich rum immer lauter wurde, bis mir die Ohren dröhnten. Ich hörte dann alles. Sogar wie die Knie der Fängerin den Boden berührten. Wie der Schiedsrichter sich räusperte. Wie mich die Spielerinnen von der Bank anfeuerten. Wie der Wind über den Rasen fuhr. Wenn ich versuchte, diese Geräusche auszublenden, um mich besser auf den Ball zu konzentrieren, wurden sie nur noch lauter. Dazu eine innere Stimme, die mich anbrüllte: »Block es ab! Sei du selbst! Mach dich locker! Das Einzige, was jetzt zählt, ist der Ball! Der Ball und du! Sonst nichts!« Und dann die Sachen in meinem Blickfeld, die mich ablenkten. Servietten, die über das Infield wehten, eine Spielerin, die mit der Faust in ihren Handschuh boxte, alles Mögliche. Statt mich zu konzentrieren, war da dieses Chaos in meinem Kopf, wie ein Tornado, und meine innere Stimme brüllte: »Hör auf zu denken! Hör auf zu denken! Hör nicht auf mich!«
    Komischerweise war ich dieses Mal aber ganz ruhig.
    Es gab nur mich und den Ball. Ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll. Ich war wie in Trance. Die Pitcherin der Pumas winkelte das Bein an. Sie holte mit dem Wurfarm aus, und der Ball flog los. Plötzlich sah ich alles wie in Zeitlupe. Ich konnte sogar die Nähte des Balls erkennen. Ich dachte immer, das sei ein Mythos. Ich wusste, wie der Ball fliegen würde, und konnte seine Flugbahn berechnen, als ob er über eine Schiene auf mich zurollte. Dann krachte es, ich spürte einen Schmerz im Ellenbogen und konnte plötzlich wieder

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