Brown, Dale - Schattenpilot
sich bei der Nationalgarde oder der Luftwaffenreserve zu bewerben.
»Die Reaktion unserer Leute ist im Allgemeinen befriedigend bis gut gewesen«, antwortete Roma auf die Frage, wie die Besatzungen auf die nächtliche Alarmierung reagiert hatten. »Rund dreißig Prozent sind in der ersten Stunde eingetroffen, nach drei Stunden waren es siebzig Prozent - gar nicht schlecht, wenn man berücksichtigt, dass die durchschnittliche Fahrtzeit der nicht auf dem Stützpunkt lebenden Besatzungsmitglieder - das sind ungefähr zwei Drittel unserer Leute - vierzig Minuten beträgt.«
»Völlig inakzeptabel!«, warf der Geschwaderkommodore aufgebracht ein. »Die Besatzungen wollten sich drücken!«
»Ich glaube nicht, dass jemand sich drücken wollte, Sir«, antwortete Roma. »Gestern ist Freitagabend gewesen. Wir hatten gerade eine Geschwaderübung und ein Manöver mit der Air Battle Force abgeschlossen. Die Leute sind übers Wochenende weggefahren, sind auf Schulabschlussfeiern gewesen, haben ihren Sommerurlaub vorbereitet - und dann ist plötzlich dieser Alarm gekommen.«
»Schon gut, schon gut«, sagte der Kommodore. »Jedenfalls haben wir im Augenblick mehr Besatzungen als Flugzeuge. Wo liegt das Problem?«
»In der Ausbildung an SIOP-Geräten und der Verfügbarkeit von Ersatzteilen für die vorgesehene Anzahl von Flugzeugen, Sir«, warf der Logistikchef ein, der sich damit auf die Spezialgeräte bezog, die erforderlich waren, um einen Bomber laut Single Integrated Operations Plan einsatzbereit zu machen. »Wir haben schon unsere Reservebestände angreifen müssen, weil der Geräteund Ersatzteilvorrat nicht ausreicht. Der Sprung von null auf sechzehn voll einsatzbereite Bomber in.nur achtundvierzig Stunden zehrt unsere Bestände auf und überlastet die Werkstatt für Flugelektronik.«
»Außerdem ist es fast ein Jahr her, dass wir mit richtigen Kernwaffen umgegangen sind, Sir«, fügte der Waffenoffizier hinzu. »Wir haben eine ganze Generation von Unteroffizieren und Mannschaften, die nur eine Grundausbildung, aber keinerlei Erfahrung mit Spezialwaffen hat.«
Der Kommodore winkte irritiert ab. »Keine Ausreden, verdammt noch mal!«, sagte er und rieb sich müde das Gesicht. »Wir haben den Auftrag, unsere Flugzeuge für Kampfaufträge einsatzbereit zu machen, und ich schmeiße jeden raus, der das nicht begreift. Wie gut wir unsere Zeitvorgaben erfüllen, hängt von den Führungsqualitäten der hier versammelten Männer und Frauen ab. Ich verlange, dass wir vor der nächsten Besprechung wieder unseren Zeitplan einhalten - dafür sind mir die Stabsoffiziere und Staffelchefs verantwortlich. Die Besprechung über die Nachrichtenlage fällt aus - wir haben auf dem Vorfeld Wichtigeres zu tun. Weggetreten!«
In den ersten Stunden nach dem nächtlichen Alarm hatten im Geschwader leicht chaotische Zustände geherrscht - das war der Normalzustand in jeder Einheit, der Roma jemals angehört hatte -, aber am späten Vormittag schien sich alles eingespielt zu haben. Als Roma in sein Dienstzimmer im Staffelgebäude zurückkam, war sein gesamter Stab - auch die aus dem Urlaub Zurückgerufenen - bei der Arbeit. Jeder war einer Alarmeinheit zugeteilt worden. Für die meisten begann die Alarmbereitschaft erst in einigen Stunden, deshalb führten sie Simulatortraining durch, trafen Mobilmachungsvorbereitungen, erledigten Aufträge des Geschwaderstabs oder halfen dem Wartungspersonal auf dem Vorfeld, Flugzeuge einsatzbereit zu machen.
In Romas Mailbox hatten sich allein in der vergangenen halben Stunde über zwei Dutzend E-Mails angesammelt, deshalb stellte er den Fernseher in seinem Dienstzimmer an, um die neuesten Nachrichten zu sehen, und machte sich daran, seine E-Mails zu lesen und zu beantworten. Die Nachrichten wirkten unkoordiniert und verworren - nicht viel anders als der Betrieb auf der Ellsworth Air Force Base, wo fünftausend Männer und Frauen sich bemühten, zwanzig Bomber einsatzbereit zu machen, damit sie losfliegen und die Volksrepublik China mit Kernwaffen angreifen konnten.
Über die Atomkatastrophe in Japan war nicht viel mehr bekannt, als schon vor Stunden gemeldet worden war: Der amerikanische Flugzeugträger L/SS Independence, ein 80000 Tonnen schwerer Gigant, war mit seiner Besatzung aus fast 5200 Männern und Frauen in einem grellen Lichtblitz verschwunden, als sich nach Augenzeugenberichten im Golf von Sagami, ungefähr hundert Kilometer südlich von Tokio, am Spätvormittag eine kleine Kernexplosion ereignet
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