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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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Thompsons ehemaliger Bandkollege Dave »Hazy« Hazlett sprang für Lopez an den Drums ein. Ihre Hoffnung, einen stattlichen Betrag zusammenzubekommen, wurde auch durch die Tatsache genährt, dass das Konzert an demselben Ort stattfand, an dem die Band Mitte Juni schon einmal vor viertausend Fans gespielt hatte: im Clearwater Swim Club in Atlantic Highlands.
    Es war ein traumhafter Spätsommernachmittag. Es war warm, eine leichte Brise wehte vom Meer herüber und Unmengen junger Leute aus New Jersey bevölkerten das leicht abschüssige Gelände. Das Konzert begann um siebzehn Uhr mit zwei Bands aus der Gegend, Task und Sid’s Farm. Danach trat Jeannie Clark auf, die ihr übliches Folkrepertoire mit Van Zandt an der Gitarre, Garry Tallent am Bass und einem Bluessänger und -musiker aus Asbury Park namens John Lyon ein wenig aufpeppte. Die Polizei zeigte ganz offensichtlich ein bisschen mehr Präsenz als anderswo, aber man befand sich ja auch im Zuständigkeitsbereich des Middeltown Police Department. »Middletown rühmte sich damit, dass es dort keine Kriminalität gäbe«, erklärt Van Zandt, der hier zu Hause war. »Und dass dort keine Schwarzen lebten. Und dass es dort noch intakte autoritäre Strukturen gäbe.« Um im Falle einer Revolution gerüstet zu sein, hatte Joseph McCarthy, der Polizeichef von Middletown, seine Truppe vorsorglich mit einem ganzen Arsenal an Schutzhelmen, Schutzschilden, Schlagstöcken und anderen Waffen ausgestattet. Und da sich bereits einige Nachbarn über die Lärmbelästigung während der Sommerkonzerte in Clearwater beschwert hatten, betrachtete McCarthy die Veranstaltung als eine gute Gelegenheit, die neue Ausrüstung zu testen. »Das war wohl wie zu Halloween, vermute ich«, fährt Van Zandt fort. »Sie hatten zwar keine richtige Verwendung dafür, aber sie legten das ganze Zeug einfach mal so an.«
    Wie während der Democratic Convention in Chicago 1968. Wie während der Demonstration an der Kent State University im Mai 1970, in die auch Bruce’ Freundin Pam Bracken, die damals ihr zweites Studienjahr absolvierte, hineingeriet, unmittelbar bevor die Nationalgarde das Feuer eröffnete und vier unbewaffnete Studenten erschoss. Bracken rannte an jenem Tag um ihr Leben, und jetzt, vier Monate später, hatten sich fünftausend Rock’n’Roll-Fans versammelt, um laute Musik zu hören, sich ihre geheimen Vorräte von was auch immer reinzuziehen und die in Middletown neu eingeführte Sperrstunde, die um zweiundzwanzig Uhr begann, zu vergessen. »Es war sozusagen der physisch ausgetragene Generationskonflikt«, sagt Van Zandt über das, was an diesem Abend geschah.
    Steel Mill kamen gegen zwanzig Uhr auf die Bühne und spielten ihr übliches Set. Songs über Spaß, Sex, Herzschmerz, Ausreißer und ausgelassenes Tanzen in den Straßen wechselten sich mit außerordentlich subversiven Nummern ab, wie sie Bruce seit über einem Jahr schrieb. Die Stimmung kochte, insbesondere nahe der Bühne. Vielleicht wurden ein paar Jugendliche wegen Kiffens oder Alkoholverzehrs in Gewahrsam genommen. Das wäre jedenfalls ganz normal gewesen. Dass das Publikum so leidenschaftlich mitging, lag in erster Linie an Bruce’ kraftstrotzender, mitreißender Show. In einem ärmellosen weißen T-Shirt und der wie immer anstelle eines Gürtels von einer Kordel gehaltenen Jeans wirbelte er über die Bühne. Die Energie, die er im Publikum freisetzte, übertrug sich auf ihn zurück. Sein Gesang verflocht sich geradezu mit dem von Thompson und seine Leads wurden von Strophe zu Strophe atemberaubender.
    »Bruce stach immer heraus, ihn umgab so eine gewisse magische Aura«, sagt Joe Petillo, ein Gitarrist aus dem Upstage, der gekommen war, um sich das Konzert anzusehen. Er wusste, was Bruce draufhatte, da sie sich im Upstage schon so manches wilde Gitarrenduell geliefert hatten. Doch hier unten, inmitten der Zuschauer, ergriff ihn plötzlich Bewunderung. »Er kam auf die Bühne und übernahm sofort die Führung. Es war einem irgendwie von Beginn an klar, dass da etwas Besonderes passierte.«
    Und dem war tatsächlich so. Genau bis zu dem Moment, als die Armbanduhr von Chief McCarthy eine Sekunde nach zehn zeigte. Bruce, der mitten auf der Bühne stand und sich die Seele aus dem Leib rockte, war bewusst, dass er eine Grenze überschritt. »Da lag dieses ›Wenn du nur eine Minute länger spielst …‹ in der Luft«, sagt er. »Und natürlich spielten wir eine Minute länger, denn so waren wir nun mal.« Innerhalb weniger

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