Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
hatten es geschafft, dass viertausend Fans zu einem Open-Air-Konzert im Clearwater Swim Club in Atlantic Highlands, New Jersey, kamen. Zudem hatten sie noch ein paar einträgliche Shows während der Semesterendveranstaltungen an den üblichen Collegespielstätten in Virginia absolviert. In Richmond waren sie die Headliner bei einem großen Sommerspektakel, das auf dem Dach eines Parkhauses an der Seventh und Marshall Street stattfand. Im Vorprogramm spielten unter anderem Mercy Flight, eine Band aus Richmond, deren gesamte Crew – vom Manager Russel Clem bis zum Drummer »Hazy« Dave Hazlett – sich mit Steel Mill angefreundet hatte. Robbin Thompson, der Leadsänger, verstand sich besonders gut mit Bruce, der oft bei ihm übernachtete, wenn Steel Mill in Richmond auftraten. So verbrachten die beiden auch den Abend nach dem Parkhausgig miteinander und sprachen noch bis tief in die Nacht hinein über Musik.
Bruce bewunderte Thompsons kräftige Stimme und seine Bühnenpräsenz. Da ihm seine vielen Verpflichtungen bei Steel Mill allmählich über den Kopf wuchsen, fragte er seinen Freund, ob er daran interessiert sei, als zweiter Sänger und Frontman bei Steel Mill einzusteigen. Thompson traute seinen Ohren nicht. »Es war völlig klar, dass Bruce der Frontman der Band war. Wozu brauchte er mich?« Der Rest der Band war genauso irritiert. Wenn alle Fans und Kritiker Bruce für sein herausragendes Talent als Gitarrist, Performer und Sänger lobten, was wollte er dann mit einem zweiten Frontman, der ihm den Platz im Rampenlicht streitig machte? »Das war schon eine etwas merkwürdige Entscheidung«, so Van Zandt. »Bruce war sich nicht sicher, welche Rolle er spielen wollte. Es ist ja nicht unbedingt alles einfacher, wenn man so talentiert ist. Er war der Frontman und der Stargitarrist und der Songwriter. Manchmal ist man einfach besser dran, wenn man nur eine Sache macht, aber die dann richtig.«
Nachdem sie ein paar Wochen zusammen geprobt hatten, konnten Lopez, Federici und Van Zandt Bruce’ Entscheidung nachvollziehen. Am letzten Tag von Thompsons Probezeit nahm Bruce seine drei Bandkollegen in einem der Lagerräume der Surfbrettfabrik beiseite, um sich mit ihnen zu besprechen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Band in den Proberaum zurückkehrte und Thompson erklärte, dass er ab sofort dabei wäre, wenn er wolle. Und ob Thompson wollte. Eine Woche später schmiss er die Schule, packte seine Sachen und fuhr nach New Jersey.
Ende August war die Band wieder in Richmond, von wo aus sie die Nacht hindurch nach Tennessee fuhr, wo sie beim Nashville Music Festival auftrat. Unter den fünfzigtausend Zuschauern befand sich auch eine Handvoll wichtiger Leute aus der Plattenindustrie. Außerdem hatten die Veranstalter Steel Mill im Vorprogramm von Roy Orbinson untergebracht, zur großen Freude von Bruce und Van Zandt, die beide große Fans des Sängers waren. Als einige der Plattenbosse nach der Show hinter die Bühne kamen, allen die Hände schüttelten und ihnen zum gelungenen Auftritt gratulierten, bemerkte Thompson etwas, das den anderen offenbar entging.
»Die Leute sagten: ›Hey, jemand von der Plattenfirma XY ist hier, das ist der Typ, der sich mit Tinker und Bruce unterhält‹«, erinnert er sich. »Ich beobachtete das eine Weile, und dabei wurde mir klar, dass dieser Typ – wie all die anderen Leute, die über Steel Mill sprachen – eigentlich nur da war, um Bruce zu sehen.« Obwohl Steel Mill sich als Band mit fünf gleichberechtigten Mitgliedern präsentierte, konnte jeder erkennen, dass einer von ihnen wichtiger war als alle anderen. »Das habe ich nie vergessen.«
Wieder in Richmond, gab die Band ein paar weitere Konzerte, als sich Lopez eines Abends mit der falschen Frau einließ. Um vier Uhr morgens riss ihn eine Horde bewaffneter Polizisten aus dem Schlaf. Irgendjemand im Haus hatte sechs Pfund Marihuana in seinem Zimmer versteckt, und nun drohte jedem, der sich auch nur in der Nähe befunden hatte, eine Anklage wegen Drogenhandels. Lopez hatte nur dann eine Chance, die nächsten fünf bis zehn Jahre nicht hinter Gittern zu verbringen, wenn er sich einen Anwalt nahm. Die Ersparnisse der Band reichten dafür nicht, aber sie hatten schon eine Idee, wie sie genügend Geld zusammenkratzen konnten: Für den 11. September war ein großes Sommerabschlusskonzert geplant, das sie kurzerhand zur Benefzveranstaltung erklärten, deren Einnahmen Vini in Virginia zur Verfügung gestellt werden sollten.
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