Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
große Sache«, sagt er.
Wieder zurück in der Heimat, spielten Steel Mill nach wie vor in vollen Clubs und zogen an Schulen und Universitäten – insbesondere am Monmouth College und an der Free University, wo Tausende zu ihren Auftritten kamen – ein stattliches Publikum an. Auch die Lokalpresse wurde auf sie aufmerksam, vor allem nachdem West am 11 . April eine Handvoll Journalisten, Kritiker, DJs und anderer wichtiger Persönlichkeiten aus der Plattenindustrie zu einer öffentlichen Probe in die Challenger-Fabrik eingeladen hatte. Joan Pikula, eine Feuilletonredakteurin der Asbury Park Press, veröffentlichte vier Tage später ein recht umfangreiches Bandporträt (»The Steel Mill Blazes Trail for New, Talented Musicians«), in dem sie Steel Mill als innovative Musikpioniere bezeichnete. »Sie haben bewiesen, dass talentierte Musiker auch hier etwas werden können«, schrieb Pikula, die zu dem Schluss kam, dass Steel Mill das Zeug hätten, die Jersey Shore – die Küstenregion von New Jersey – zum nächsten Rock’n’Roll-Mekka zu machen.
Eine Zeit lang war Bruce fest davon überzeugt, mit Steel Mill alles erreichen zu können, was er wollte. Die Band war seine Zukunft. »Wir spielten vor Tausenden von Menschen, ohne eine Platte herausgebracht zu haben«, sagt er. »Es war unglaublich. Wir füllten Hörsäle und Sporthallen. Wir traten nicht oft auf, aber von den Gigs, die wir gaben, kehrten wir mit fünfhundert Dollar in der Tasche zurück, und davon konnte man monatelang leben. Für eine Regionalband war das ein Riesenerfolg. Und in der Gegend waren wir wirklich große Stars.«
Mitte Juni veröffentlichte Pikula einen weiteren, noch leidenschaftlicheren Artikel über Steel Mills Auftritt im Vorprogramm der erfolgreichen Rockband Grand Funk Railroad. Die Musiker aus Detroit sollten schon bald einen neuen Rekord aufstellen: Hatten die Beatles 1965 noch achtzig Tage benötigt, bis ihr Konzert im New Yorker Shea Stadium ausverkauft war, schafften es Grand Funk Railroad 1971 in nur zweiundsiebzig Stunden. Vorerst trat die Band jedoch noch in kleineren Hallen auf. Nachdem ihre ursprüngliche Vorgruppe MC5 (die Protopunker aus Detroit, deren kurz zuvor veröffentlichtes zweites Album von einem jungen Brandeis-Absolventen namens Jon Landau produziert worden war) ihren Auftritt im Ocean Ice Palace in Bricktown kurzfristig hatte absagen müssen, sprangen Steel Mill für dieses Konzert in letzter Minute als Vorgruppe ein.
Wenn man Pikulas begeistertem Konzertbericht unter dem Titel »Rock and Inequity« Glauben schenken darf, stahlen Steel Mill den Headlinern komplett die Show. Um ihr Urteil zu begründen, verglich Pikula die beiden Frontmen miteinander. »[Mark] Farner [von Grand Funk] ist ein abgeklärter Profi, seine Songs sind solide, aber mittelmäßig, und so spielt er auch«, schrieb sie. »Springsteen ist weder abgeklärt noch mittelmäßig. Er schreibt ausgezeichnete, ungemein abwechslungsreiche Songs, die viele musikalische Stilrichtungen miteinander vereinen … und sein Spiel ist originell, ausdifferenziert und technisch perfekt – einfach hervorragend.«
Ganz unparteiisch war Pikula in ihrer Einschätzung sicher nicht, die vielmehr von großer Sympathie für die Band zeugt, die sie gerade erst kennengelernt hatte. Dabei wies sie durchaus auch auf Farners Talent hin, eine ganze Halle voller Fans dazu zu bringen, die Fäuste in die Luft zu recken und andere quasi-revolutionäre Gesten zu machen. Die Texte von Grand Funk klangen in ihren Ohren jedoch phrasenhaft und hohl, wohingegen die Leidenschaft, die die Musik von Steel Mill auszeichnete, das Publikum nicht nur verführte, sich den Frust von der Seele zu tanzen, sondern es auch dazu bewegte, sich auf die Geschichten und Bilder einzulassen, die ihre Texte vermittelten. Pikulas Konzertbericht gipfelte in einem Fazit, das ihre liebenswürdige Empörung in eine griffige Formel mit klassenkämpferischem Unterton kleidete: »Steel Mill machten die Musik, Grand Funk den Reibach. Eine Ungerechtigkeit par excellence.«
Bruce staunte nicht schlecht. »Das war ein dickes Ding«, erinnert sich Bruce’ langjähriger Freund Lance Larson, ein Urgestein der Musikszene in Asbury Park. »Die Geschichte hat ihnen verdammt viele Türen geöffnet, und als sie in der Zeitung schrieben, dass er tausendmal besser sei als diese großen, gestandenen Stars, war Bruce natürlich mächtig stolz.«
Es gab noch mehr, worauf er stolz sein konnte im Sommer 1970. Steel Mill
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