0416 - Das Duell der Halbstarken
Die Tür meines Büros flog auf. Ein Mann, groß, breit und mit einer beachtlichen Wölbung unter der Weste, rollte herein wie ein Panzerwagen. Er stampfte bis vor meinen Schreibtisch, stoppte mit hartem Ruck, stemmte beide Fäuste auf die Tischplatte und donnerte mich an:
»Irgendein Gangster will meinen Sohn ermorden. Tun Sie gefälligst was dagegen!«
Ich zeigte auf den Stuhl, an dem er vorbeigerollt war.
»Nehmen Sie Platz, Mr. Rovelt.«
Er ließ sich auf den Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht gefährlich krachte. Seine kleinen, sehr hellen Augen funkelten mich an.
»Sie kennen mich?«
»Mein Chef, Mr. High, meldete Sie an. Woher wissen Sie, daß ein Gangster Ihren Sohn ermorden will?«
»John! Die verdammten Briefe!« Nahezu unbemerkt war hinter dem menschlichen Panzerwagen ein kleiner, schmächtiger, dunkel gekleideter Mann in das Zimmer geschlichen und hatte sich hinter Rovelt aufgebaut. Aus einer großen Aktentasche nahm er diensteifrig einen schmalen Schnellhefter und legte ihn in Rovelts Hand. Der schleuderte den Hefter mit Schwung auf den Schreibtisch. Gleichzeitig stellte er den Schmächtigen vor.
»John Brack, mein Sekretär.«
Ich schlug den Hefter auf. Ich sah einen Brief, ohne Anrede und ohne Datum, geschrieben auf gewöhnlichem Briefpapier, wie es die Automaten an den Postämtern abgeben. Der Text war aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben zusammengeklebt. Er lautete:
Sie haben unsere Aufforderung mißachtet. Wir stellen Ihnen eine letzte Frist bis zum 28.
»Das besagt wenig, Mr. Rovelt.«
»Es ist der zweite Brief. Der erste liegt darunter.«
Säuberlich eingeheftet, als handelte es sich um ein Aktenstück, lag ein zweites Schreiben in der gleichen Aufmachung im Hefter. Der Text war länger und lautete:
Sie sind so reich, daß Sie fünf zigtausend Dollar verschmerzen können. Da aber eine Wallstreet-Hyäne Ihres Schlages nicht einmal fünfzig Cent freiwillig herausrückt, werden wir, falls Sie sich weigern, Ihren Sohn James umbringen. Wir erwarten Ihre Nachricht bis zum 24. Veröffentlichen Sie in der N ew-Y ork-Times-Morgenausgabe vom 24. unter der Rubrik »Vermischtes« eine Anzeige mit dem Wort: Einverstanden.
Phil, der hinter mir stand, hatte mitgelesen.
»Liest sich wie ein dummer und schlechter Scherz.«
»Dafür habe ich es auch gehalten.«
»Sie haben auf die zweite Aufforderung nicht reagiert?«
»Nein, heute schreiben wir den 28., und ich habe die Anzeige nicht aufgegeben. Ich lasse mich nicht zum Narren halten.«
»Dennoch sind Sie zu uns, zum FBI, gekommen?«
Er zwinkerte unsicher mit den kleinen Augen.
»Jimmy… ist schließlich mein einziger Sohn und mein Erbe.« Krachend schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Außerdem bezahle ich Steuern, einen riesigen Berg Steuern.«
»Sie sind ein reicher Mann, Mr. Rovelt?«
»Vielleicht wäre ich es, wenn es kein Finanzamt gäbe.«
»Weiß Ihr Sohn von den Briefen?«
»Ich legte sie ihm vor und fragte ihn, welcher seiner Freunde sich den Unsinn ausgedacht hätte.«
»Wie reagierte er?«
»Er antwortete, er würde versuchen es herauszufinden.«
»Wie alt ist Ihr Sohn?«
»Achtzehn.«
Ich wog den Schnellhefter in der Hand.
»Mit diesen Briefen wird sich nichts anfangen lassen. Selbst wenn der Schreiber oder der Kleber keine Handschuhe benutzt haben sollte, so sind seine Fingerabdrücke von Ihnen verwischt worden. Ich werde sie trotzdem zum Labor geben. — Wo kann ich Ihren Sohn sprechen?«
Rovelt sprach über die Schulter:
»Wo kann der G-man meinen Sohn sprechen, John?«
»Mr. Jimmy dürfte sich jetzt im Tradition-Club aufhalten, Pelham-Bay-Park, Park Drive 104.«
»Fahren Sie mit, Mr. Rovelt?«
Er wuchtete sich von seinem Stuhl hoch.
»Keine Zeit! Wichtige Verabredung! Rufen Sie mich an und lassen Sie mich wissen, was ich unternehmen soll.«
Er rollte zur Tür, und es sah ganz so aus, als wolle er verschwinden, ohne sich zu verabschieden, aber in der Tür stoppte er mit dem harten Ruck, mit dem er seine Bewegungen abzubremsen pflegte, drehte mühsam den Kopf auf dem kurzen Hals und sagte erstaunlich milde und fast flehend:
»Sorgen Sie dafür, daß Jimmy nichts geschieht.«
***
Phil und ich orientierten uns an den zahllosen Hinweisschildern, die längs des Park Drive aufgestellt waren. Phil las laut vor: »Dragham-Golf-Club! Racing-Sea-Club! Pelham-Tennis-Club!«
In der riesigen Grünanlage des Pelham-Bay-Parks, im Nordosten der Bronx, sprossen Clubs, Vereine und Sportanlagen wie Pilze aus dem
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