Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Thornton zurückkehrte, damit sich die beiden anderen durch die Hintertür aus dem Staub machen konnten. Die führte nämlich in das angrenzende Büro der Songwriter, wo Appel und Cretecos eigentlich intensiv an flotten neuen Popsongs für das nächste Partridge-Family-Album arbeiten sollten.
Mitte März kündigten die beiden ihre Jobs bei Farrell und gründeten ihre eigene Managementfirma Laurel Canyon Ltd. 3 , an der jeder von ihnen zu je fünfzig Prozent beteiligt war. Spitz schloss sich ihnen an und betätigte sich als Buchhalter, Bürovorsteher, Tontechniker für Demoaufnahmen und als Gastgeber für Bruce, der eine Hängematte im Wohnzimmer von Spitz’ kleinem Apartment mitten in New York in Beschlag genommen hatte. Während Appel und Cretecos immer noch nach passenden Räumen für ihr neues Unternehmen suchten, richteten sie sich vorübergehend in einem Büro an der West 54th Street ein, das Jules Kurz gehörte, einem routinierten Showbiz-Anwalt, dessen Dienste Appel bereits in Anspruch genommen und mit dem er sich angefreundet hatte. Kurz war es auch, der die Standardverträge für Appels neuen Klienten aufsetzte, in denen die Rahmenbedingungen für Bruce’ Songwriting, seine Auftritte und seine Plattenaufnahmen festgeschrieben waren. Ob Bruce – oder auch Appel – irgendeines der Dokumente näher in Augenschein nahm, ist unklar. Den Managementvertrag jedenfalls hatten beide bereits eine Woche nach Bruce’ Vorspielen im Februar unterschrieben. Und von dem Moment an waren Bruce und Appel vertraglich aneinander gebunden, in guten wie in schlechten Zeiten – und auch in solchen, die man getrost als grauenhaft bezeichnen kann.
Appel wurde 1942 in der Bronx geboren. Er war das älteste von insgesamt fünf Kindern von Thomas und Marie Appel. Seine Jugend verbrachte er in Old Brookville, einem wohlhabenden Viertel an der Nordküste von Long Island. Appels Vater investierte viel Zeit und Leidenschaft in den Aufbau seiner Maklerfirma, und von seinen Kindern, insbesondere von seinem ältesten Sohn, erwartete er ebenso viel Ehrgeiz und Zielstrebigkeit. Für denjenigen, der dem nicht entsprach, wurde das Zusammenleben schon sehr bald ziemlich unangenehm. »Mein Vater war dominant, herrschsüchtig und extrem restriktiv«, erklärt Mikes jüngerer Bruder Stephen. »Es war hart für Mike. Sehr hart. Vater hatte zu uns allen ein angespanntes Verhältnis, aber Mike bekam am meisten ab, er bezog die Prügel.«
Wie Adele Springsteen so unterstützte auch Marie Appel ihren Sohn in seinen künstlerischen Bestrebungen. Sie hatte selbst als Sängerin auf der Bühne gestanden und erkannte und förderte Mikes musisches Talent. Als er davon sprach, Gitarre spielen zu wollen, kaufte sie ihm eine und meldete ihn zum Unterricht an. Als er anfing, die Hitparaden im Radio aufmerksam zu verfolgen, schenkte sie ihm Singles von Elvis Presley, Chuck Berry und Carl Perkins. Und als die Liebe zum Rock’n’Roll in ihm das unstillbare Verlangen weckte, selbst Musik zu machen, kaufte sie ihm eine Silvertone E-Gitarre samt Verstärker. So näherte er sich immer weiter dem Tätigkeitsbereich an, der letzten Endes sein Leben bestimmen sollte.
Von seiner Mutter erhielt er also Unterstützung und das nötige Handwerkszeug, aber als er erst einmal in einer Band spielte und sich in der Highschoolszene von Long Island herumtrieb, kam bei ihm auch der immense Ehrgeiz seines Vaters zum Vorschein. Appel gründete Bands, schrieb Songs für sie und leitete die Proben mit einer beachtlichen Strenge und Disziplin. Außerdem knüpfte er Kontakte ins Musikbusiness, um mit seiner Band einen Fuß in die Tür zu bekommen. Seiner ersten Gruppe, The Humbugs, ermöglichte er es sogar, Demobänder in einem New Yorker Studio aufzunehmen; außerdem gewann die Band einen Vertrag bei einem der kleineren Rock’n’Roll-Label der 20th Century Fox. Mit einigen ihrer Instrumentalnummern schaffte sie es sogar in die regionalen Verkaufscharts. In der Zwischenzeit machte Appel seinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der St. John’s University. Als das Militär bei ihm anklopfte, umging er die Einberufung, indem er sich als Reservist bei den Marines verpflichtete, woraufhin er lediglich ein sechsmonatiges Ausbildungslager (und einige Jahre lang einmal im Monat einen Wochenenddienst) über sich ergehen lassen musste, bevor er ins zivile Leben zurückkehren durfte. Dennoch trug die knallharte Marinesausbildung einen nicht unbeträchtlichen Teil dazu bei, seinen
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