Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
zahlenden Publikum dazusetzte und sich einschließlich der Spätvorstellung alles ansah, was gerade lief. Nachdem er das Kino geschlossen hatte, räumte er mit Bruce die leeren Popcornschachteln und den anderen Müll weg und schob einen 27-Zoll-Fernseher in den Zuschauerraum, an den Grants Vater einen der ersten Videorekorder angeschlossen hatte. Grant machte das Licht aus, schob eine der Rock’n’Roll-Videokassetten ein, die er besorgt hatte, und die Hauptvorstellung des Abends begann.
So machten sie es seit 1968. »Wir sahen uns alles an, was wir kriegen konnten: Elvis, die Beatles, die Rolling Stones, James Brown und vieles mehr«, erzählt Grant. »Immer und immer wieder wollte er diese Sachen sehen. Er studierte James Browns Tanzschritte, dann stand er plötzlich auf und machte sie nach.« Ebenso intensiv setzte er sich mit der Persönlichkeit seiner Idole auseinander – wie sie sprachen, sich bewegten und verhielten, wenn sie nicht auf der Bühne standen. »Bruce fragte immer: ›Wie fühlt es sich wohl an, Rod Stewart zu sein oder Mick Jagger?‹ Man spürte, dass er das für etwas hielt, das auch ihm passieren könnte – ja definitiv passieren würde. Er wusste, dass er es so weit bringen konnte.«
So sehr es ihn auch drängte, ein erfolgreicher Musiker zu werden, so wenig konnte er sich für all das begeistern, was mit Ruhm und Reichtum einherzugehen schien. »Es wirkt so, als hätten sie gar keine Freunde«, sagte er, während sie ein paar Rock’n’Roll-Superstars dabei beobachteten, wie sie aus Flugzeugen stiegen, für die Presse posierten, sich in Limousinen setzten und davonrasten. »Lass mich nie so werden wie diese Typen. Und falls ich irgendwann doch so werden sollte – und vergesse, wer meine Freunde sind –, musst du auf die Bühne klettern und mir zeigen, wo’s lang geht.«
Bruce ersann eigens zu diesem Zweck ein Arrangement, das zu einer Dr.-Zoom-Inszenierung gehört haben könnte: Falls Grant ihn je dabei erwischte, dass er sich wie ein Superstar verhielt, sollte er mit einem weiteren Freund auf die Bühne klettern, sich in die Nähe des Mikroständers hocken und anfangen, Schach zu spielen. »Dann wird mir klar werden, dass ich vergessen habe, wo ich herkomme«, erklärte er Grant.
Was Grant verblüffte – abgesehen von der Tatsache, dass Bruce von Anfang an unbedingt auf dem Teppich bleiben wollte – war dessen absolute Überzeugung, genau zu wissen, was kommen würde. »Er wusste längst, dass er selbst einer von diesen Typen werden würde. Er hatte sich hohe Ziele gesteckt. Und das war gut für ihn.«
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1 Am 23. September 1971 hatte er seinen Geburtstag gefeiert.
2 Der Bezirk Highlands unterscheidet sich vom nahe gelegenen Atlantic Highlands dadurch, dass er tatsächlich am Atlantic und daher nicht weit über dem Meeresspiegel liegt.
3 Entgegen der vorherrschenden Meinung, Appel und Cretecos hätten mit diesem Namen den Glanz der gleichnamigen, damals sehr beliebten Prominentenwohngegend in Los Angeles (wo Stars wie Joni Mitchell, Jackson Browne, Graham Nash, Carole King etc. lebten) auf ihr Unternehmen abstrahlen lassen wollen, beteuert Appel, dass ihn ein Wochenendtrip in ein Landhaus, in dessen Umgebung die schönsten Lorbeerbäume (engl. laurel) wuchsen, die er je gesehen hatte, zu dem Firmennamen inspiriert habe.
Kapitel 8
MAL SEHEN, OB IHRE OHREN WIRKLICH WAS TAUGEN!
Bruce sprach mit niemandem über das, was alles verändern sollte . Weder über seine Treffen mit Appel. Noch über den Managementvertrag, den er unterschrieben hatte. Noch darüber, dass seine anstehende Solokarriere für die Bruce Springsteen Band, auf die einige seiner Freunde und Kollegen ihr Leben ausgerichtet hatten, bald das Aus bedeuten würde. »Ich traf meine Entscheidungen allein. So war ich nun mal«, sagt Bruce. Steve Van Zandt kränkte oder überraschte die Geheimniskrämerei seines besten Freundes nicht. »Bruce ist nicht gerade ein Plappermaul«, sagt er. Und wie war es um die Loyalität der anderen im Hinblick auf die Band bestellt? Angesichts des eher verhaltenen Publikumszuspruchs und der wenig spektakulären Serie spärlich besuchter Kneipenkonzerte, mit denen sich die Gruppe in den vergangenen Monaten hatte begnügen müssen, hatte der Enthusiasmus der BSB-Mitglieder inzwischen merklich nachgelassen. Im Frühjahr 72 verdiente nahezu jedes Bandmitglied seine Brötchen mit einem Nebenjob oder anderen musikalischen Engagements.
Gleichwohl war die Band für einige
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