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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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nicht«, sagte sie wütend. »Ich habe nämlich mehr Verstand als du. Ohne Waffe, ohne Pferd – wie weit würdest du da wohl kommen? Und was für einen Dienst würdest du FitzAlan mit einer solchen Tollkühnheit erweisen?
    Aber wir brauchen das ja gar nicht weiter zu erörtern«, bemerkte sie schnippisch. »Du bist ja so schwach, daß du es nicht einmal bis zum Fluß schaffen würdest.«
    »Ach ja?« Torolds Augen blitzten übermütig. Die freche Bevormundung durch diesen Klosterschüler amüsierte ihn derart, daß er seine mißliche Lage für den Augenblick vergaß.
    »Sehe ich denn so schwach aus?«
    »Schwach wie eine ausgehungerte Katze«, sagte sie und spuckte einen Pflaumenkern aus. »Sogar ein Zehnjähriger könnte dich aufs Kreuz legen!«
    »So, meinst du?« sagte er und packte sie mit seinem unverletzten Arm. »Ich werde dir gleich zeigen, wie stark ich bin.« Es machte ihm Spaß, seine Kraft in einer Rangelei mit einem vertrauten Freund zu spüren, und schon hatte er diesen überheblichen kleinen Bengel auf die Bretter gelegt. »Um mit dir fertig zu werden, brauche ich ja nur eine Hand!« sagte Torold triumphierend, und um es zu beweisen, verlagerte er sein Gewicht und legte seine linke Hand auf Godiths Brust, um sie am Boden zu halten.
    Erschrocken zuckte er zurück. Godith fluchte und gab ihm eine wütende Ohrfeige. Sie fuhren auseinander. Ohne sich anzusehen und ohne ein Wort zu sagen, saßen sie auf dem zerwühlten Lager.
    Die drückende Stille währte lange. Es dauerte eine ganze Minute, bis sie vorsichtig den Kopf wandten und sich ansahen.
    Ihr Gesicht, in dem die Wut langsam einer schuldbewußten Sympathie wich, war sehr fein geschnitten und weiblich – er mußte wirklich sehr krank und schwach gewesen sein, daß ihm das nicht schon vorher aufgefallen war. Und eine leise, leicht belegte Stimme hatte sie von Natur aus, sie hatte sie gar nicht sehr verstellen brauchen. Torold rieb sich nachdenklich sein schmerzendes Ohr und fragte schließlich vorsichtig: »Warum hast du mir das nicht gesagt? Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber wie sollte ich das wissen?«
    »Du brauchtest es ja gar nicht zu wissen«, erwiderte sie ärgerlich. »Aber du besitzt ja nicht einmal die Höflichkeit, deine Freunde zu behandeln, wie es sich gehört.«
    »Du hast mich doch herausgefordert!« protestierte Torold. »Das war nur so eine Rauferei, wie ich sie oft mit meinen Brüdern hatte, und du hast mich herausgefordert.« Unvermittelt fragte er: »Weiß Bruder Cadfael, daß du...«
    »Natürlich weiß er es! Bruder Cadfael ist nicht so blind wie du.«
    Wieder schwiegen sie und sahen einander verstohlen an. Sie blickte auf den Ärmel über seiner Wunde, besorgt, daß sic h ein Blutfleck zeigen könnte, und er betrachtete ihr Gesicht, auf dem immer noch deutlich ihre Gekränktheit zu sehen war.
    Zwei kleinlaute Stimmen sagten gleichzeitig: »Habe ich dir wehgetan?«
    Sie mußten beide lachen. Die Fremdheit, die sich zwischen sie geschoben hatte, war verschwunden. Lauthals lachend fielen sie sich in die Arme, und außer der leicht übertriebenen Zärtlichkeit, mit der sie sich berührten, war an ihrer Beziehung jetzt nichts Ungewöhnliches mehr.
    »Du hättest deinen Arm nicht so anstrengen sollen«, sagte sie schließlich, als sie sich nach ihrer Umarmung glücklich in die Augen sahen. »Es ist eine böse Wunde. Sie hätte wieder aufbrechen können.«
    »Keine Sorge, es ist alles in Ordnung. Aber du... ich wollte dir nicht wehtun. Wer bist du? Und wie bist du hierhergekommen?«
    Sie sah ihm lange und ernst in die Augen; von jetzt an würde sie ihm bedingungslos vertrauen.
    »Man hat zu lange gewartet, um mich von Shrewsbury wegzubringen. Die letzte Möglichkeit war, mich im Kloster zu verstecken. Ich war sicher, daß mich niemand durchschauen würde. Und ich habe auch alle hinters Licht geführt – alle bis auf Bruder Cadfael. Ich stehe auf derselben Seite wie du, Torold. Ich bin Godith Adeney.«
    »Wirklich?« Mit großen, verwunderten Augen strahlte er sie an.
    »Du bist Fulke Adeneys Tochter? Gott sei Dank! Wir haben uns Sorgen um dich gemacht! Besonders Nick – er kannte dich ja...« Er beugte sich hinab und küßte ihr die Hand. »Meine Herrin, ich bin Euer Diener! Oh, wie herrlich das ist! Wenn ich das gewußt hätte, dann hätte ich euch gleich die ganze Geschichte erzählt.«
    »Dann erzähl sie jetzt«, sagte Godith. »Und danach werde ich dir meine Geschichte erzählen.«
    Bruder Cadfael ging nicht gleich zur

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