Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
jemandem zu übergeben, der sie brauchte und nicht entehren würde.
Als sie um die Ecke der Mühle bogen und den Mühlbach überschritten, sah er sich vorsichtig um. Bis kurz vor Ende ihres Gespräches hatte er, trotz seiner scharfen Ohren, keinen Laut von draußen vernommen, und er war sich auch nicht sicher, ob er menschliche Schritte oder nur das Rascheln eines kleinen Tieres im trockenen Gras gehört hatte. Dennoch mußte er überlegen, was zu tun war, wenn sie tatsächlich belauscht worden waren. Schlimmstenfalls waren zwar nur die letzten Sätze gehört worden, aber die waren verräterisch genug. War der Schatz erwähnt worden? Ja, er selber hatte gesagt, daß er nichts weiter zu tun brauchte, als zwei Pferde zu beschaffen, den Schatz zu bergen und sie sicher zur Straße nach Wales zu bringen. Hatten sie davon gesprochen, wo das Geld verborgen war? Nein, das war viel früher gewesen. Aber der Lauscher, wenn tatsächlich draußen einer herumgeschlichen war, konnte erfahren haben, daß sich ein flüchtiger Anhänger FitzAlans hier versteckt hatte und, schlimmer noch, daß Adeneys Tochter sich im Kloster aufhielt.
Das gefiel ihm nicht. Es würde das Beste sein, wenn die beiden aufbrächen, sobald der Junge in der Lage war zu reiten. Sollte es allerdings in der Nacht keine besonderen Vorkommnisse geben, dann hatte er sich wohl getäuscht.
»Was ist denn?« fragte Godith, die neben ihm ging. »Ihr habt doch irgend etwas gehört.«
»Nein, du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, antwortete Cadfael. »Ich habe mich geirrt. Es ist alles in Ordnung.« Im selben Moment bemerkte er aus dem Augenwinkel eine plötzliche Bewegung unten am Fluß, jenseits des Gebüsches, in dem sie Torold gefunden hatte. Zwischen den niedrigen Büschen kam ein schlanker Mann zum Vorschein, reckte sich genüßlich und schlug einen Weg ein, der ihn im spitzen Winkel mit dem ihren zusammenführen würde. Hugh Beringars Schritte sollten gemächlich wirken, und doch waren sie so bemessen, daß er genau mit ihnen zusammentraf. Er hatte ein liebenswürdiges, unschuldiges Gesicht aufgesetzt. Freundlich begrüßte er Cadfael und seinen Gehilfen.
»Was für ein schöner Abend! Geht Ihr zur Vesper? Dann haben wir denselben Weg. Habt Ihr etwas dagegen, daß ich Euch begleite?«
»Nein, ganz und gar nicht«, antwortete Cadfael. Er legte Godith die Hand auf die Schulter und übergab ihr das Bündel, das die Wundsalben und Verbände enthielt. »Lauf schon einmal vor, Godric, und bring das für mich in den Schuppen, Danach kommst du mit den anderen Jungen zum Gottesdienst. Das spart mir einen Weg, und du kannst gleich noch den Auszug umrühren, den ich heute morgen angesetzt habe. Also los, Junge, beeil dich!«
Godith nahm das Bündel und lief los. Sie gab sich Mühe, zu rennen wie ein Junge. Leise vor sich hin pfeifend strich sie im Laufen mit der Hand über die hohen Stoppeln des abgeernteten Feldes. Sie war heilfroh, Hugh Beringars Gegenwart entronnen zu sein. Ihre Gedanken kreisten um einen ganz anderen jungen Mann.
Beringar sah ihr nach. »Einen anstelligen Gehilfen habt Ihr da«, bemerkte er.
»Ja, er ist ein braver Junge«, antwortete Cadfael gütig. »Er ist uns für ein Jahr anvertraut worden, aber ich bezweifle, daß er das Gelübde ablegen wird. Aber immerhin wird er bis dahin lesen, schreiben und rechnen gelernt haben, und ich kann ihm einiges über Kräuter und Arzneien beibringen. Das wird ihm schon ein Stück weiterhelfen. Habt Ihr einen Spaziergang am Fluß unternommen?«
»Eigentlich habe ich Euch gesucht«, antwortete Beringar im gleichen heiteren, beiläufigen Tonfall. »Ich brauche nämlich Euren Rat und Eure Hilfe. Da ich Euch im Kräutergarten nicht fand, dachte ich, Ihr hättet vielleicht im großen Garten oder bei den Obstbäumen zu tun. Aber auch hier wart Ihr nicht, und so habe ich die Abendsonne am Fluß genossen. Ich habe damit gerechnet, Euch beim Vespergottesdienst zu treffen, aber daß Euch auch diese Felder hier draußen unterstehen, wußte ich nicht. Ist alles Getreide eingebracht?«
»Ja, alles was auf diesen Feldern stand. Bald werden die Schafe die Stoppeln abgrasen. Aber sagt mir: In welcher Angelegenheit bedürft Ihr meiner Hilfe, Herr Beringar? Ich werde Euch zu Diensten sein, soweit meine Pflichten es erlauben.«
»Als ich Euch gestern morgen fragte, ob Ihr wohl eine Bitte, die ich an Euch richte, nach reichlicher Überlegung erfüllen würdet, da sagtet Ihr, daß alles, was Ihr tut, reiflich überlegt
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