Bruder Cadfaels Buße
meiner Herrin gelungen war, ihn mit heiler Haut aus Coventry hinauszubringen. Erst in Gloucester erfuhr ich, daß ihn Philip auf offener Straße entführt hatte. Viele Tage später kehrte der Jüngling dann zurück und drängte die Kaiserin zum Sturm auf diese Burg. Ich hatte schon immer gewußt, daß man ihm die Tat nicht zur Last legen konnte«, sagte sie und steckte die Kerzen in die Leuchter. Dann trat sie mit geneigtem Kopf ein wenig zurück, um den Abstand zwischen den beiden zu überprüfen. Der Holzspan flackerte im roten Flämmchen des Ewigen Lichts auf und warf, als er gleichmäßig brannte, einen hellen Schein auf ihre linke Hand, deren Adern deutlich hervortraten.
Sorgfältig entzündete sie die Kerzen und beobachtete mit dem Holzspan in der Hand, wie deren Flammen emporwuchsen. Am Mittelfinger trug sie einen Ring mit einem kunstvoll bearbeiteten Gagat. Obwohl der schwarze Schmuckstein nicht besonders groß war, ließ das Licht die hineingravierten Linien deutlich hervortreten. Der Salamander in seinem Nest aus stilisierten Flammen hielt den Kopf zwar in die andere Richtung als der, den Cadfael kannte, war aber unzweifelhaft sein Gegenstück.
Er sagte kein Wort, doch sie verstummte plötzlich und verharrte reglos. Das Licht des brennenden Spans beleuchtete weiterhin deutlich den Ring. Dann wandte sie sich ihm zu, und ihr Blick folgte dem seinen.
»Ich wußte, daß ihn keine Schuld traf«, wiederholte sie.
»Ich hatte keinerlei Zweifel, und Ihr wohl auch nicht.
Aber ich hatte Grund dazu. Was machte Euch schon damals so sicher?«
Punkt für Punkt wiederholte er alles, was dafür sprach, daß nur jemand Brien de Soulis getötet haben konnte, den er kannte und dem er vertraute, jemand, der an ihn herantreten durfte, ohne Mißtrauen zu erregen. Das wäre Yves Hugonin nach seiner offen gezeigten Feindseligkeit mit Sicherheit nicht möglich gewesen. »Es mußte jemand sein, der für ihn unter keinen Umständen eine Bedrohung bedeutete, ein Mann, dem er sein volles Vertrauen schenkte.«
»Oder eine Frau«, gab Jovetta de Montors zurück. Sie sagte es sachlich und fast beiläufig, wie ein Mensch, der auf eine naheliegende Möglichkeit hinweist, ohne sie besonders hervorheben zu wollen.
Dieser Gedanke war Cadfael noch nicht gekommen.
Angesichts jener nahezu ausschließlich aus Männern bestehenden Versammlung, bei der nur drei Frauen anwesend waren, jede unter kaiserlichem Schutz, war er nicht auf diese Möglichkeit verfallen. Gewiß, die jüngere Frau war offenkundig bereit gewesen, mit de Soulis ein gefährliches Spiel zu spielen, hatte aber wohl kaum die Absicht, es zu weit gehen zu lassen. Cadfael bezweifelte, ob sie sich überhaupt mit ihm verabredet hatte. Dennoch...
»Nein«, fuhr Jovetta de Montors fort, als hätte sie seine Gedanken erraten. »Nicht Isabeau. Sie weiß nichts davon.
Sie hat ihm ein halbes Versprechen gegeben, mehr nicht - aber ausreichend, um festzustellen, wie ernst es ihm war.
Sie hatte nie die Absicht, mit ihm zusammenzutreffen.
Aber im Halbdunkel besteht kein großer Unterschied zwischen einer alten und einer jungen Frau, wenn sie einen Umhang mit übergeworfener Kapuze trägt. Damit sage ich Euch bestimmt nichts Neues«, fuhr sie mit herzlichem Lächeln fort. »Aber ich hätte es auf keinen Fall zugelassen, daß dem jungen Mann Schaden zugefügt worden wäre.«
»Ich erfahre das erst jetzt«, sagte Cadfael. »Glaubt mir.
Erst jetzt, und durch Euer Siegel. Das gleiche Siegel, das man im Namen Geoffrey FitzClares, als er bereits tot war, auf die Übergabeurkunde von Faringdon gesetzt hat.
Und jetzt ist de Soulis tot, der an ihm zum Mörder wurde, um es verwenden zu können. Geoffrey FitzClare ist gerächt.« Warum die Glut in der Asche wieder entfachen?, dachte er.
»Wollt Ihr mich nicht fragen, was mir Geoffrey FitzClare bedeutet hat?« fragte sie.
Cadfael schwieg.
»Er war mein Sohn«, begann sie. »Mein einziges Kind, außerhalb einer kinderlosen Ehe geboren. Ich verlor ihn, kaum, daß ich ihn zur Welt gebracht hatte. Das liegt lange zurück. König Heinrich hatte die Normandie erobert und besiedelt. Als Louis auf Frankreichs Thron kam, brach der ganze Hader erneut aus. Mein Gemahl war Lehnsmann von Warrenne, der König Heinrich mit seinen Streitkräften treu zur Seite stand. Zwei Jahre und mehr hat es gekostet, die Eroberung des Königs zu verteidigen. Zwei Jahre war mein Gemahl fort! Liebe fragt nicht um Erlaubnis. Ich war einsam, und Richard de Cläre war mir
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