Bruder Cadfaels Buße
untreu, so wie ich bereits meinem Orden, meinem Abt und meinen Brüdern untreu geworden bin. Gewiß werden wir alle eines Tages einander wieder begegnen. Aber ich muß etwas gut machen und Buße tun. Morgen kehre ich heim, Yves, ob mir die Tore in Shrewsbury wieder aufgetan werden oder nicht.«
15. Kapitel
m Licht des frühen Morgens packte Cadfael seine wenigen Habseligkeiten und suchte den Marschall auf. In einer von Krieg und Kriegern geprägten Gesellschaft war es angeraten, seinen Aufbruch anzukündigen, und für den Fall, daß jemand sein Recht dazu in Frage stellen sollte, auf das Einverständnis der Burgherrin zu verweisen.
»Jetzt, da der Weg frei ist, muß ich in mein Kloster zurückkehren. Ich habe ein Pferd hier, das dem Herrn der Burg von Shrewsbury gehört. Die Reitknechte werden bestätigen, daß ich mit ihm gekommen bin. Habe ich Eure Erlaubnis aufzubrechen?«
»Zieht ungehindert von dannen«, sagte der Marschall.
»Und Gott sei mit Euch.«
Nr.chdem er die weltlichen Dinge geregelt hatte, suchte Cadfael zum letzten Mal die Kapelle von La Musarderie auf. Er war einen langen Weg von dorther gekommen, wohin er sich zurücksehnte, und es war keineswegs sicher, daß er je wieder dorthin gelangen würde, denn niemand kennt Tag oder Stunde, da man sein Leben von ihm fordern wird. Doch selbst wenn er sein Kloster erreichte, war es möglich, daß man ihn nicht wieder aufnahm. Der Faden der Zugehörigkeit läßt sich bisweilen nicht leicht wieder aufnehmen, wenn er bis zum Zerreißen gespannt war. Voll Demut betete Cadfael um einen Erfolg seiner Reise und blieb eine Weile mit geschlossenen Augen knien, während er überdachte, was wohlgetan und was weniger wohlgetan war. Zugleich rief er sich mit größter Zufriedenheit und Dankbarkeit das Bild seines als Landmann verkleideten Sohnes in Erinnerung, wie er auf dem Fuhrwerk des Müllers das Haupt seines Feindes auf dem Schöße gehalten hatte, um ihn zu beschützen. Ein sonderbares Paradox, denn eigentlich waren sie nicht miteinander verfeindet. Sie hatten ihr möglichstes getan, Feinde zu werden, es aber schließlich nicht durchgehalten. Es war besser, nicht anzuzweifeln, was unbezweifelbar war.
Gerade als er sich erhob, ein wenig steif von der Kälte und den harten Steinplatten, ertönte ein leichter Schritt, und die Tür wurde ein wenig weiter aufgestoßen. Die Anwesenheit von Frauen in der Burg hatte bereits zu gewissen Veränderungen in der Ausstattung der Kapelle geführt. So schmückte den Altar inzwischen ein besticktes Tuch, und für die Kaiserin war ein Betstuhl mit grünsamtenem Kniekissen aufgestellt worden. Jetzt brachte ihre Kammerfrau zwei schwere silberne Leuchter herein und wollte damit gerade zum Altar treten, als sie Cadfael erblickte. Ein Netz, das ihr Haar zusammenhielt, verstärkte dessen leuchtenden Schimmer. Sie neigte freundlich den Kopf und lächelte ihm zu.
»Guten Morgen, Bruder«, sagte Jovetta de Montors, ohne ihren Schritt zu verhalten. Dann aber blieb sie doch stehen und musterte ihn etwas genauer. »Ich habe Euch schon früher gesehen, nicht wahr? Bei der Zusammenkunft in Coventry?«
»Das stimmt«, antwortete Cadfael.
»Ich erinnere mich«, sagte sie mit einem Seufzen.
»Schade, daß sie ergebnislos geblieben ist. Haben Euch Aufträge im Zusammenhang damit so weit von Eurem Kloster entfernt? Ich meine gehört zu haben, daß Ihr aus Shrewsbury kommt.«
»Ja«, erwiderte Cadfael. »Gewissermaßen.«
»Und seid Ihr weitergekommen?« Sie trat zum Altar und stellte die Leuchter links und rechts darauf. Jetzt bückte sie sich, um aus einer an der Wand stehenden Truhe Kerzen und einen mit Schwefel bestrichenen Holzspan zu nehmen, mit dessen Hilfe sie diese wohl am Ewigen Licht, das rot vor dem Kreuz in der Mitte glomm, entzünden wollte.
»Ja, zum Teil.«
»Nur zum Teil?«
»Eine meiner Aufgaben ist ungelöst geblieben. Allerdings war sie auch nicht so wichtig, wie wir damals annahmen. Ihr erinnert Euch gewiß an den jungen Mann, den man seinerzeit in Coventry des Mordes beschuldigt hat?«
Er trat näher, und sie sah ihn offen aus ihren tiefblauen Augen an. Ihr Gesicht war blaß. »Ja, durchaus. Dieser Verdacht ist inzwischen von ihm genommen. Ich habe in Gloucester mit ihm gesprochen, und er hat berichtet, Philip FitzRobert sei inzwischen zu der Überzeugung gelangt, daß nicht er der Täter war und habe ihn deshalb auch freigelassen. Das hat mich gefreut. Ich hatte angenommen, alle Gefahr sei vorüber, nachdem es
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