Bruderdienst: Roman (German Edition)
nur, wenn er sicher war, allein zu sein. Er war Dortmunder.
Krause wählte den Apparat auf dem Tisch seines Präsidenten an und erklärte ohne Umschweife: »Wir haben hier Gefahr im Verzug. Nordkorea hat dreihundert Mercedes-Limousinen der S-Klasse bestellt und im Voraus bezahlt. Einundzwanzig Millionen Euro. Wir sollten uns fünf Minuten Zeit zum Nachdenken nehmen.«
»Dann kommen Sie her!«
Vor der Tür des Präsidenten kam es zu einem kurzen Stau, weil der Präsident eine Besuchergruppe abrupt und ohne jede Erklärung entlassen hatte. Die Leute standen jetzt führungslos und verunsichert im Dämmerlicht des Flurs herum. Krause murmelte gleich mehrere Male Guten Morgen, drängte sich an ihnen vorbei, glitt in den Raum und setzte sich unaufgefordert in einen der dunklen Ledersessel.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte der Präsident lächelnd. »Sie haben immer schon vermutet, dass es eines Tages so kommen könnte. Und jetzt scheint es eingetreten. Was genau bedeutet das jetzt für uns?«
»Ein paar Tage konzentrierte Arbeit und die sofortige Bildung eines kleinen Apparates.«
»Eine heikle Sache, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Das Bundeskanzleramt?«
»In jedem Fall, wenn Sie mich fragen.«
»Okay.« Der Präsident drückte einen Knopf und sagte übergangslos: »Ich weiß, meine Liebe, dass ich dir auf den Wecker gehe, aber wir brauchen deine Chefin. Irgendwann heute, für zehn Minuten. Das muss sein und ist unaufschiebbar.« Er hörte ein paar Sekunden zu und sagte dann: »Ich liebe euch alle.« Zu Krause gewandt, flüsterte er: »Wir fahren in zehn Minuten los, sie ist nicht mehr lange zu fassen.« Der Präsident war ein Mann, der liebend gern mitten im Chaos stand, der aufblühte, sobald irgendwo massive Probleme auftraten. »Und ziehen Sie sich ein Jackett über«, schickte er Krause überflüssigerweise hinterher.
Zehn Minuten später saßen sie im Dienstwagen. Der Fahrer schaffte die Strecke zum Kanzleramt in weniger als zwanzig Minuten, wobei Krause still voraussetzte, dass der Mann das schon hundertmal geübt hatte. Im Wagen wurde kein Wort gesprochen, mit Ausnahme eines Statements des Präsidenten: »Ich wünschte, Sie hätten weniger häufig recht.«
Es gab den üblichen Einzug der Gladiatoren, bei dem im Foyer alle den Kopf hoben und gleich darauf wieder senkten, als sei es ihnen verboten, auch nur das Geringste zu bemerken.
Sie fuhren nach oben.
Die Kanzlerin saß hinter ihrem Schreibtisch und trug eine orangefarbene Jacke von dem Zuschnitt, den Krause immer als bedenklich einfallslos bezeichnete.
»Setzen Sie sich. Und bitte keine Katastrophen. Machen Sie es bitte kurz und übersichtlich.«
»Es ist etwas passiert, das Sie wissen sollten«, erklärte der Präsident forsch. »Nordkorea hat dreihundert Mercedes-Limousinen gekauft und sie umgehend im Voraus bezahlt. Einundzwanzig Millionen Euro.«
Die Kanzlerin zog fragend eine Augenbraue hoch. »Aber die sind doch total pleite.«
»Ganz richtig«, murmelte der Präsident.
»Sie wollen sagen, dass irgendjemand ihnen Geld gegeben hat.«
»So wird es sein«, bestätigte Krause.
»Was vermuten Sie denn?«
»Wir vermuten noch gar nichts«, antwortete der Präsident. »Aber wir müssen die Möglichkeit haben, zu recherchieren. International, meine ich, und verdammt schnell.«
»Und Sie sind auch pleite und brauchen von mir die Mittel?«, fragte sie tonlos.
»Nicht nötig, alles noch im grünen Bereich«, sagte der Präsident schnell. »Das kann ich über den laufenden Etat machen.«
»Drohen uns heikle Umstände? Oder werden Sie ein bisschen kriminell? Nun knautschen Sie doch nicht so.«
»Wir müssen einen Krisenstab bilden, klein, nicht mehr als sechs, sieben Leute höchstens.«
»Da haben Sie meine Einwilligung, falls Sie nicht gerade Fort Knox anbohren wollen.«
»Eher nein«, sagte Krause zahm. »Es könnte aber sein, dass es viel Lärm in den Medien geben wird. Und wir brauchen Ihre Unterstützung.«
»Männer!«, sagte die Kanzlerin mahnend. »Jetzt drückt euch doch endlich mal klar aus.«
»Im schlimmsten Fall haben die Nordkoreaner eine Atombombe verkauft«, sagte Krause.
Es war eine ganze Weile lang sehr still. Die Kanzlerin drehte sich auf ihrem Stuhl zum Fenster und starrte hinaus.
»Ach, du lieber Gott«, seufzte sie dann. Sie hatte gelernt, mit Kalamitäten umzugehen. »Ich betrachte mich als informiert, und Sie haben die Erlaubnis. Und machen Sie sich so schnell an den Fall, wie Sie können. Ich
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