Bruderkampf
alle ihre Masten. Sie standen noch.
»Signal vom Flaggschiff, Sir: >Zum Flaggschiff aufrücken »Einen Strich nach Steuerbord!« Bolitho lief zur Reling. Er beugte sich weit vor und sah die Segel des Linienschiffes, das auf das britische Flaggschiff zuhielt. So mußten sie längsseits aneinander vorbeilaufen. Er rief zum Hauptdeck hinab: »Achtung, Mr. Herrick!«
Da brüllte Okes: »Der Franzose ändert den Kurs, Sir!« Er trat vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen. »Verdammt, Sir, er schert vor den Bug der Cassius. «
Entweder wollte der französische Kapitän einem Artillerieduell, Kanone gegen Kanone, aus dem Wege gehen, oder er beabsichtigte, den Bug und die Masten der Cassius zu bestreichen, während er ihren Kurs kreuzte. So oder so, er hatte seine Rechnung ohne die Zusatzsegel gemacht, die Admiral Napiers ältliches Flaggschiff beschleunigten. Statt aneinander vorbeizukommen, kollidierten die beiden schweren Schiffe am Bug im rechten Winkel. Ineinander verhakt, eröffneten sie das Feuer. Der Keil Wasser zwischen ihnen kochte und brodelte unter dem Feuerschein und dem schwarzen Rauch.
Erstarrt beobachtete Bolitho, wie der Vormast und die Großbramstenge der Cassius betrunken schwankten und dann in den alles verhüllenden Rauch und Pulverqualm hinabstürzten.
Spieren zerfetzten die Leinwand und rissen die Leute aus der Tageklage.
Eine neue Breitseite zerriß die Luft. Bolitho wußte, daß die Vorschiffkanonen der Cassius und die des Feindes nur ein paar Fuß voneinander entfernt waren. Trotzdem blieben die Schiffe ineinander verklammert. Der zersplitterte Bugspriet und der zerschmetterte Klüverbaum eines jeden hatte sich in den Rumpf des anderen verbissen wie die Hauer zweier furchtbarer Bestien aus einem Albtraum.
Bolitho legte die Hände trichterförmig um den Mund. »Beide Karronaden nach Steuerbord.« Er winkte Proby zu. »Wir wollen uns hinter das Heck des Franzosen setzen.« Er duckte sich, denn eine Kugel pfiff über ihn hinweg und fetzte ein gezacktes Loch in das Besansegel. Ein Irrläufer der Giganten, aber deshalb nicht weniger tödlich. Die Leute um ihn herum husteten und wischten sich die Augen, denn der Rauch zog jetzt auch über die Decks der Phalarope.
Der Rudergänger fluchte, als die zerrissenen Segel der Cassius plötzlich wie ein Phantom über dem Qualm auftauchten. Aus der Stellung der Masten des Flaggschiffs sah Bolitho, daß er auf dem richtigen Kurs war. Der Rauch verschlang von neuem alles. Die Geschütze blitzten in doppelter Linie auf. Beide Schiffe feuerten aus allen Rohren im Direktschuß. Bolitho hörte die Schiffsrümpfe gegeneinanderknirschen. Die Schreie der Verwundeten und Sterbenden mischten sich mit dem unglaubhaften Klang der Trommel- und Pfeifenabteilung des Admirals. Unmöglich zu sagen, was sie spielten, oder wie man bei einem solchen Inferno, das nach jedem Leben griff, auf eine Melodie achten konnte.
Doch Bolitho rief: »Ein Hurra, Jungs! Eine Hurra dem Flaggschiff! «
Musketen knallten, und Bolitho hörte die Kugeln in das Schanzkleid schlagen und gegen die Neunpfünder jaulen.
»Scharfschützen!« bellte Rennie. »Schießt die Schweine ab!«
Aus der Takelage knallte eine Salve.
Der Wind schien sich gänzlich gelegt zu haben. In dem undurchdringlichen Rauch ließen sich allerdings weder Geschwindigkeit noch Entfernung abschätzen. Da zeichnete sich plötzlich das Heck des Zweideckers im Qualm ab. Wie eine Klippe hing es reich verziert über dem Steuerbordbug der Phalarope. Aus den Heckfenstern blitzte Musketenfeuer. Die Scharfschützen zielten auf die Back der Phalarope.
Bolitho hämmerte auf die Reling. Er achtete weder auf die pfeifenden Kugeln noch auf die Schreie vom Vorschiff. Er stellte sich das untere Kanonendeck des Feindes vor. Klar zum Gefecht gemacht, reihte sich von vorn bis achtern eine Kanone an die andere. Bolitho war als Fähnrich auf einem Linienschiff gefahren. Er wußte, daß mehr als dreihundert Mann die Kanonen bedienten, gebückt im Halbdunkel und halb erstickt durch den beißenden Qualm. Mannschaften, die mit ihren Kanonen vertraut waren, doch nicht allzu genau zielten.
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