Bruderschaft der Unsterblichen
abgesehen, hatten wir vier einen entsetzlichen studentischen Eid geschworen, niemandem ein Sterbenswörtchen darüber zu erzählen. Statt dessen sagte ich also: „Warum Arizona? Wahrscheinlich, weil wir Kakteen-Narren sind. Und außerdem ist es im März dort schön warm.“
„In Florida gibt es auch viel Sonnenschein.“
„Aber keine Kakteen“, sagte ich.
7. KAPITEL
Timothy
Ich brauchte eine Stunde, um das richtige Mädchen zu finden und alles in die Wege zu leiten. Sie hieß Bess, hatte große Brüste und kam aus Oregon. Sie und vier andere Erstsemestler von Barnard bewohnten gemeinsam ein riesiges Apartment am Riverside Drive. Drei Mädchen waren zum Urlaub nach Hause gefahren. Die vierte saß in einer Ecke und ließ einen fünfundzwanzigjährigen Werbefritze-Typen bei ihr sein Glück versuchen. Prima. Ich erklärte Bess, daß ich und meine drei Freunde auf dem Weg nach Arizona in dieser Stadt einen Zwischenhalt machten und hofften, irgendwohin zu gelangen, wo etwas los sei. „Das dürfte kein Problem sein“, sagte sie. Sehr gut. Jetzt mußte ich nur noch alle zusammenbekommen. Oliver sprach gelangweilt zu einer dürren Puppe mit zu hellen Augen in einem Trainingsanzug; vielleicht war sie eine Athletin. Ich eiste ihn los, erklärte ihm die Lage und setzte ihn auf Bess’ Zimmergenossin Judy an. Ein Mädchen aus Nebraska, ist das nichts! Rasch war der Werbefritze ausgebootet, und Judy und Oliver waren bald in eine Diskussion verwickelt – über den Preis von Schweinefutter, oder was auch immer. Als nächster war Ned an der Reihe. Der verrückte kleine Bumser hatte tatsächlich ein Mädchen aufgerissen, so seltsam das auch klingt. Gelegentlich hat er solche Dinger drauf, ich vermute, um allen Normalen eine Nase zu drehen. Das war vielleicht ein Herzchen: gigantische Nüstern, riesige Brüste, ein Fleischberg. „Wir brechen auf“, erklärte ich ihm. „Nimm sie mit, wenn du willst.“ Dann fand ich Eli. Ob es die nationale Woche der Heterosexualität war? Sogar Eli hatte Erfolg gehabt: ein dünner, dunkler Typ, ohne Fleisch auf den Knochen, ein nervöses, hastiges Lächeln. Sie war verblüfft zu entdecken, daß ihr Eli mit so einem Schegitz wie mir zusammen war. „Das Hotel hat geöffnet“, sagte ich zu ihm. „Komm.“ Er küßte mir fast die Füße.
Acht Leute quetschten sich in meinen Wagen – neun, wenn man Neds Fang als das zählte, was sie war. Ich fuhr. Endlos wurde einander vorgestellt: Judy, Mickey, Mary, Bess; Eli, Timothy, Oliver, Ned; Judy, Timothy; Mickey, Ned; Mary, Oliver; Bess, Eli; Mickey, Judy; Mary, Bess; Oliver. Judy; Eli, Mary Herr des Himmels! Erste Regentropfen fielen vom Himmel, ein kühler Schauer gerade über dem Gefrierpunkt. Als wir im Central Park waren, kam etwa hundert Meter vor uns ein altersschwaches Auto ins Schleudern, fuhr einen wilden Slalom über die Bürgersteige und krachte gegen einen riesigen Baum. Der Wagen platzte, und mindestens ein Dutzend Personen flogen hinaus und stoben wie Raketen in alle Richtungen davon. Blitzartig trat ich auf die Bremse, denn einige Opfer lagen direkt vor meinem Wagen. Schädel krachten, Hälse wurden gebrochen, und Leute stöhnten in Spanisch. Ich brachte den Wagen zum Stehen und sagte zu Oliver: „Wir steigen besser aus und sehen, ob wir irgendwo helfen können.“ Oliver wirkte betäubt. Der Tod ist ein großes Problem für ihn: Er bekommt schon Magenkrämpfe, wenn er ein Eichhörnchen überfährt. Und jetzt reichte die Wagenladung Puertoricaner aus, um unserem hoffnungsvollen Mediziner in spe einen Schock zu versetzen. Als er irgend etwas vor sich hinmurmelte, sah Judy aus Nebraska ihm über die Schulter und sagte mit panischer Angst: „Nein! Fahr weiter, Tim!“
„Da liegen Verletzte“, sagte ich.
„Jeden Moment tauchen hier die Bullen auf. Wenn die sehen, daß hier in dem Wagen acht Jugendliche sitzen, filzen sie uns. noch bevor sie sich um die da kümmern. Und ich bin nicht sauber, Tim, ich habe Stoff bei mir! Wir kommen alle ins Loch!“
Sie stand kurz vorm Durchdrehen. Elende Kacke, wir konnten es uns nicht leisten, unseren halben Urlaub zu vergeuden, indem wir eingesperrt wurden, nur weil eine blöde Votze der Meinung war, sie müsse ihren Stoff mit sich herumschleppen. Also trat ich aufs Gaspedal und suchte mir vorsichtig zwischen den Toten und Sterbenden einen Weg. Ob die Arschgeigen tatsächlich erst uns vorgenommen hätten, um nach Stoff zu suchen, während überall die Leiber herumlagen? Ich konnte mir
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