Bruderschaft der Unsterblichen
damit abfinden. „Ich kann sie doch in Phoenix in einem Motel zurücklassen, während wir in der Wüste sind“, maulte er. „Sie hat keine Ahnung, was wir dort wollen.“
„Nein.“
„Und überhaupt, muß es denn wirklich so ein blödes Geheimnis bleiben, Timothy?“
„Bist du übergeschnappt? Bist nicht gerade du es gewesen, der uns praktisch einen Blutschwur hat ablegen lassen, niemals auch nur eine Silbe aus dem Buch der Schädel …“
„Schrei nicht so! Sie können alles hören.“
„Na und? Laß sie doch alles hören. Das willst du auch nicht, nicht wahr? Daß die Puppen hier etwas von unserem Fu-Manchu-Projekt mitkriegen. Und trotzdem bist du bereit, sie in die Sache mit einzubeziehen. Gebrauch doch mal deinen Kopf, Eli!“
„Vielleicht lasse ich das mit Arizona eben sein“, sagte er.
Am liebsten hätte ich ihn gepackt und durchgeschüttelt. Die ganze Sache in den Wind schießen zu lassen? Er hatte sie doch organisiert. Er hatte doch die notwendigen drei anderen dazu bewegt. Er hatte uns stundenlang die Wichtigkeit vor Augen gehalten, unsere Seelen dem Unerwarteten, Unerklärlichen und Märchenhaften zu öffnen. Er hatte uns angetrieben, Pragmatismus und Empirismus abzulegen und es einmal mit dem Glauben zu versuchen etc. etc. Jetzt hatte eine reizende Tochter Israels für ihn die Beine breit gemacht, und schlagartig war Eli bereit, die Brocken hinzuschmeißen, nur um mit ihr zusammen einen Osterurlaub zu verbringen und mit ihr im Cloisters, im Guggenheim und den anderen städtischen Kulturtempeln Händchen zu halten. Na, da hört sich aber alles auf. Er hatte uns da reingezogen und wollte sich jetzt mir nichts, dir nichts aus der Affäre ziehen; ungeachtet der Frage, ob wir überhaupt Vertrauen in seinen verrückten Unsterblichkeitskult hatten, wollten wir es ihm aber nicht so leichtmachen. Das Buch der Schädel verlangt, daß die Kandidaten zu viert erscheinen. Ich erklärte Eli, daß wir ihn nicht entlassen würden. Eine lange Zeit schwieg er. Fortwährend tanzte sein Adamsapfel auf und nieder: ein Anzeichen für einen großen inneren Zweikampf. Die wahre Liebe gegen das ewige Leben. „Du kannst sie doch wiedersehen, wenn wir in den Osten zurückfahren“, erinnerte ich ihn. „Falls du zu denen gehörst, die zurückkehren.“ Er steckte mitten in einem seiner existentiellen Dilemmas. Die Badezimmertür öffnete sich, und Mickey spähte, züchtig mit einem Badetuch bedeckt, heraus. „Geh schon“, sagte ich. „Dein Herzblatt wartet. Wir sehen uns morgen früh.“ Irgendwo hinter der Küche fand ich ein anderes Klo. Ich erleichterte mich und tastete durch die Dunkelheit zu Bess zurück, die mich mit leisem schnurrendem Stöhnen empfing. Sie packte mich an den Ohren und zog mich zwischen ihre drallen, gummiartigen Brüste. Große Brüste, erklärte mir mein Vater, als ich fünfzehn war, sind etwas Vulgäres. Ein vornehmer Mann erwählt eine Frau nach anderen Kriterien. Ja, Vater, aber als Kopfkissen sind sie super. Bess und ich vollführten das ewige Spiel des Frühlings ein letztes Mal. Ich schlief ein. Um sechs Uhr morgens weckte mich ein fertig angezogener Oliver. Ned und Eli waren auch schon auf und angezogen. Die Mädchen schliefen alle noch. Wir frühstückten leise Brötchen und Kaffee und waren noch vor sieben Uhr wieder unterwegs. Alle vier, über den Riverside Drive auf die George-Washington-Brücke, von da aus nach Jersey, weiter in westlicher Richtung auf der Interstate 80. Oliver saß am Steuer, der Eiserne Gustav.
8. KAPITEL
Oliver
Geh nicht, hatte LuAnn gesagt, was immer es auch sein mag, geh nicht, misch dich da nicht ein. Die Sache gefällt mir nicht. Dabei hatte ich ihr kaum etwas von dem Projekt erzählt. Nur einige Randbegebenheiten: eine Sekte in Arizona, mehr eine Art Kloster, und Eli glaubt, daß die Geister von uns vier sich genug daran laben könnten, um die Fahrt dorthin zu unternehmen. Vielleicht bringt es uns wirklich eine ganze Menge, erklärte ich LuAnn. Und ihre instinktive Antwort war voller Furcht gewesen. Das Hausfrauen-Syndrom: Wenn du nicht weißt, was es ist, dann laß die Finger davon. Erschreckt, die Augen geschlossen. Sie ist ein liebenswertes Mädchen, aber sie gibt zuviel auf dunkle Ahnungen. Vielleicht hätte sie ganz anders reagiert, wenn ich ihr von der Unsterblichkeit erzählt hätte. Aber ich hatte ja geschworen, kein Sterbenswörtchen preiszugeben. Und davon abgesehen hätte LuAnn auch die Unsterblichkeit erschreckt. Tu’s nicht,
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