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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sich in einer Nische wieder aufrichtete,
hatte er ein Kaninchen auf dem Arm. Ein rotes Schneekaninchen aus dem
winterlichen Summenden Wald. Eljazokad und Bestar trauten ihren Augen nicht.
Bestar vor allem hatte noch nie ein rotes Kaninchen gesehen.
    Beinahe zärtlich setzte Ganija das Kaninchen auf dem Tisch des
Klippenwälders ab.
    Â»Es ist ein Weibchen«, erläuterte der Blauhaarige. »Trächtig, würde
ich schätzen, so, wie sich ihr Bäuchlein anfühlt. Gebt gut acht. Vielleicht
könnt ihr dann etwas lernen über meine Welt.«
    Das Kaninchen hoppelte langsam, zwischendurch immer wieder mit
hektischen Nasenbewegungen schnuppernd, an Bestars Seite entlang aufwärts.
Bestar konnte den Kopf nicht drehen, aber Eljazokad beobachtete das kleine Tier
wie eine wundervolle Erscheinung. Dies war ein Ort des Grauens. Alles war
voller Kaninchenblut und -urin, es roch nach Kaninchensterben, die Schlaufen
waren aus Kaninchenhaut. Aber der rote Nager schnupperte und forschte, hoppelte
zwei Schritte, schnupperte und forschte weiter, bis er die Handgelenkschlaufen
erreichte. Der Klippenwälder wagte nicht zu atmen, aber seine Gedanken waren
ein Gebet zu Kjeer, weil er dunkel in Erinnerung hatte, daß dieser Gott außer
für die Erde auch für Tiere zuständig war. Bestar spürte das Tasten der
rötlichen Barthaare des Kaninchens als sengendes Kitzeln auf seiner
wundgescheuerten Haut. Dann begann das Tier tatsächlich mit seinen kräftigen
Vorderzähnen an der Lederfessel zu nagen. Nach einem Drittelsandstrich verlor
es das Interesse und hoppelte wieder abwärts, um die Kante des Tisches zu
untersuchen. Bestar spannte seine Armmuskeln an, hatte jedoch Angst, mit einer
ruckartigen Bewegung das Kaninchen zu erschrecken.
    Â»Den Rest schafft ihr auch alleine«, stellte Udin Ganija fest und
nahm das Tier wieder auf den Arm. »Da ich von nun an nur noch Magier jagen muß,
könnte ich gleich mit dir anfangen.« Er deutete auf Eljazokad. »Aber ich will
dir noch eine Frist geben, weil du mir immerhin den Werkstoff zum Errichten
eines Übergangs bereitgestellt hast. Möglicherweise gelingt es dir ja, der
Magie abzuschwören, bevor es zu spät für dich ist.«
    Â»Wie mein leiblicher Vater vor mir«, lächelte Eljazokad müde. »Ich
will das nicht ausschließen.«
    Â»Ich lasse euch das Kaninchen da.« Behutsam setzte Ganija das
muntere Tier auf den Schemel zu Eljazokads Tagebüchern. »Kümmert euch gut
darum, ihr verdankt ihm immerhin euer Weiterleben.« Er ging zur Leiter zurück
und begann zum zweitenmal hochzusteigen.
    Â»Ganija?« fragte Eljazokad zum Abschluß. »Du hättest uns nicht
wirklich hier unten verenden lassen, oder?«
    Der Blauhaarige lächelte beinahe. »Es war nicht meine Welt, die euch in diese Lage brachte. Dies ist ganz allein eure Welt.« Dann verschwand er ins Licht und ließ die Luke offenstehen.
    Bestar rüttelte an der angenagten Fessel. Nach zwei
schweißtreibenden Sandstrichen zerriß die Schlaufe. Mit der linken Hand konnte
Bestar die Schnalle der rechten Hand aufnesteln. Danach seinen Hals, die
Oberschenkel, die Fußgelenke, und endlich war er frei. Er atmete beinahe
schluchzend, dann befreite er Eljazokad.
    Â»Wie viele Tage, Bestar?« hauchte der Magier, der am Ende seiner
Kräfte angekommen war. »Wie viele Tage?«
    Â»Genau weiß ich es nicht. Ich bin mehrmals weggedämmert, weil Siusan
dieses scharfe Zeug benutzt hat, um an deinem Bein …« Er stutzte. »Das haben
wir dir schon mal erzählt, oder?«
    Â»Du erinnerst dich an deine Zeit in den Provinzen? An Melronia? An
Aube?«
    Â»Ja. Aber … wie an einen Traum.«
    Â»Erinnerst du dich … an deinen Tod?«
    Â»Kaum. Wir haben gekämpft, aber ich weiß schon nicht mehr, gegen
wen.« Bestar ging zu Tjarka hin. Er bedeckte ihren nackten, verschwitzten Leib
mit einer Decke, bevor er sich an ihren Lederfesseln zu schaffen machte. »Vier
Tage, würde ich schätzen. Wir haben fast nichts zu essen oder zu trinken
bekommen. Tjarka hat Lieder gesungen, um nicht wahnsinnig zu werden, und sie
ist eine verflucht schreckliche Sängerin. Einmal war ich so dicht
davor, meine Fesseln durchzukriegen, aber der Lachende hat leider zu gut
aufgepaßt.«
    Bestar holte Wasser, trank durstig, gab Eljazokad zu trinken,
versuchte auch Tjarka etwas einzuflößen. Sie rührte

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