Brüder Des Zorns
euch zu seinen geschätztesten Freunden.«
»Unser Land liegt zwischen der Steppe und den Königreichen des Südens«, erinnerte ihn Ulla ernst. Mit freundlicherer Miene fuhr sie fort: »Aber ich weiß, dass König Hael auch dann unser Freund wäre, wenn wir nicht als Prellbock zwischen ihm und seinen Feinden stünden.«
»Aber Sono und Gran sind nicht seine Feinde«, widersprach Ansa.
»Vielleicht sind sie es schon bald. Gasam hat Chiwa erobert, aber das wird ihm nicht reichen. Bestimmt versucht er in Kürze, auch die anderen Reiche an sich zu reißen.« Sie sah ihn besorgt an. »Vielleicht ist es kein günstiger Augenblick für dich, dorthin zu reisen. Bleib hier bei uns. Hier gibt es auch sehr viel zu sehen.«
»Ich möchte euer Land bei Gelegenheit sehr gern kennen lernen«, antwortete Ansa. »Aber ich sehne mich danach, die großen Städte zu sehen, ehe Gasam sie zerstört.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. »Außerdem ist es gut, die Lage in den gefährdeten Gebieten zu erkunden, damit ich meinem Vater Bericht erstatten kann.«
»Das stimmt«, meinte die Frau. »Aber das hat keine Eile. Du kannst ruhig eine Weile hier bleiben.«
Ansa sah zu Fyana hinüber. Die Entscheidung fiel ihm leicht. »Mit Vergnügen.«
KAPITEL ZWEI
K önig Gasam saß auf der Terrasse seines Palastes in der Stadt Hima. Er hatte den traumhaft gelegenen Gebirgsort wegen seiner Schönheit zur Hauptstadt des Landes ernannt. Die alte Hauptstadt war während der Eroberung Chiwas vollständig zerstört worden. Auf dem weitläufigen Platz, der sich vor seinem Palast erstreckte, war eine Einheit Sklavensoldaten aufmarschiert. Die Männer stammten von den wilden Stämmen des südlichen Dschungels ab. Sie waren mit Tätowierungen übersät, in Leder oder Fell gehüllt und trugen Speere mit Steinspitzen und runden Schilden. Ihr Aussehen und ihr Temperament gefielen ihm über alle Maßen. Die Landbevölkerung aus den umliegenden Dörfern war gehorsam und von militärischem Nutzen, bestand aber nicht aus wahren Kriegern und erfüllte ihn mit Verachtung. Gasam bildete so viele Einheiten wie möglich aus den kriegerischsten Stämmen seiner Untertanen. Schließlich war ein Krieg nicht nur ein auf Erfolg ausgerichtetes Unternehmen, sondern sollte auch Spaß machen und ob seiner Schönheit und Aufregung zum Genuss werden.
Er atmete den Weihrauchduft ein, der von den Kohlenbecken aufstieg, die auf der steinernen Brüstung standen. Hinter ihm stand Königin Larissa und massierte ihm die hervortretenden Hals- und Schultermuskeln. Er seufzte zufrieden und zuckte gleich darauf zusammen.
»Noch eins!« rief die Königin triumphierend und hielt ihm ein langes graues Haar vor Augen.
»Meine Königin«, begann er geduldig, »wie oft habe ich dir schon erklärt, dass ein paar graue Haare keine Schande sind, wenn man älter wird? Ich bin nicht einmal vierzig Jahre alt, und noch liegt die Altersschwäche in weiter Ferne.«
»Unser Volk sieht in uns die vollkommenen Herrscher«, beharrte sie. »Wir dürfen dieses Bild nicht zerstören.«
Wieder seufzte Gasam. »Du begreifst noch immer nicht, welche Schönheit absolute Macht birgt. Es befriedigt mich zu wissen, dass man auch dann noch vor mir auf dem Boden kriecht und mich als Gott ansieht, wenn ich alt, hässlich und gebrechlich bin.«
»Du wirst schon sehen«, murmelte sie vor sich hin. Dann trat sie an die Brüstung und blickte über die Dächer der Stadt hinweg. Rauch stieg von den Tempeln auf. Der König hatte erlaubt, die Menschenopfer beizubehalten, solange keine wahrhaft nützlichen Untertanen verbrannt wurden und er zu den angebeteten Göttern gehörte. Gasam bewunderte die Schönheit seiner Frau, obwohl er die Besessenheit, mit der sie auf Äußerlichkeiten achtete, nicht verstand. Heute trug sie ein Gewand aus purpurfarbener Seide, das von den Achseln bis zum Boden reichte. Noch vor wenigen Jahren hatte sie kaum jemals Kleidung getragen, da sie ihre Schönheit gern nackt zur Schau stellte. Jetzt jammerte sie wegen der kleinsten Falte oder Hautschlaffheit, die weder Gasam noch sonst jemand bemerkte. Sie war noch immer die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
»Ich habe einen Brief von Königin Shazad erhalten«, teilte sie ihm mit.
»Oh! Wie geht es unserer hochverehrten Nachbarin aus dem Norden?«
Die mutige Königin von Neva bot ihm seit langem einen amüsanten Kampf um die Herrschaft der Küstenstaaten. Ihre Neuerungen bei der Marine und ihre diplomatischen Fähigkeiten hatten
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