Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
und launischen Druckern und Satzfehlern; er frönt seinem Schreibzwang jetzt als Freischaffender. Das schadet nichts, solange er getreulich jede Woche in etwa so viele Worte schreibt, wie Danton spricht. Bis zum Ende seiner Laufbahn wird Danton noch Dutzende von Reden halten, manche davon über viele Stunden. Er entwirft sie im Kopf, während des Sprechens. Vielleicht klingt seine Stimme ja bis zu uns durch.
Ich kam im September aus England zurück. Die Amnestie war die letzte Amtshandlung der alten Nationalversammlung – neue Ära, Geist der Versöhnung, scheinheiliges Gewäsch dieser Art. Was dabei herauskam, wird man früh genug sehen.
Die Ereignisse des Sommers hatten den Patrioten Wunden geschlagen – vielen im wörtlichen Sinn –, und ich kehrte in ein royalistisches Paris zurück. Der König und seine Frau zeigten sich wieder in der Öffentlichkeit und wurden bejubelt. Mich störte das nicht weiter; mir ist es lieber, die Leute vertragen sich. Unnötig zu erwähnen, dass meine dogmatischeren Freunde bei den Cordeliers da anders dachten. Es ist ein Weilchen her, seit die einzigen Republikaner in meiner Bekanntschaft Billaud-Varennes und mein lieber, unverbesserlicher Camille waren.
Viele frohlockten – voreilig – über Lafayettes Entfernung aus der Hauptstadt (Mottié will mir nicht über die Lippen, tut mir leid). Im Falle seiner Emigration hätte ich auf unserer Seite des Flusses sofort drei Tage Feuerwerk und Bacchanalien angeordnet, aber der Mann kommandiert jetzt eine Armee, und wenn es Krieg gibt, was in sechs bis neun Monaten der Fall sein wird, werden wir ihn wieder als Nationalhelden brauchen.
Im Oktober wurde unser vollmundiger Patriot Jérôme Pétion zum Bürgermeister von Paris gewählt. Sein Gegenkandidat war Lafayette. So tief verabscheut die Frau des Königs den General, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hat, um Pétion den Erfolg zu sichern – Pétion, der Republikaner ist, wohlgemerkt. Ich nehme es als mein bis dato bestes Beispiel für die politische Unbedarftheit der Frauen.
Gut, ganz kann ich nicht ausschließen, dass auch Pétion still und heimlich Gelder von den Royalisten kassiert. Wer kennt sich da dieser Tage schon aus? Er ist nach wie vor überzeugt, die Schwester des Königs habe sich auf der Rückreise von Varennes in ihn verliebt. Er hat sich völlig lächerlich gemacht mit seinem Geprahle deswegen. Mich überrascht nur, dass Robespierre, der sonst keinerlei Mätzchen duldet, ihn deshalb noch nicht zurechtgewiesen hat. Die neueste Parole lautet übrigens: »Pétion oder der Untergang!« Camille hat ein paar bitterböse Blicke von den Jakobinern geerntet, als er hörbar bemerkte: »Die Qual der Wahl.«
Sein jäher Machtzuwachs ist Jérôme zu Kopf gestiegen, und er hat schon den Fehler begangen, Robespierre mit großem Pomp zu empfangen und ihn ein Bankett durchleiden zu lassen. Neulich sagte Camille zu Robespierre: »Komm zum Abendessen, wir haben einen ausgezeichneten Champagner.« Robespierre erwiderte: »Champagner ist das Gift der Freiheit.« Was für eine Art, seinen ältesten Freund zu behandeln!
Dass ich nicht in die neue Versammlung gewählt wurde, war eine Enttäuschung für mich. Schuld daran war – pardon, wenn ich wie Robespierre klinge – die große Anzahl von Leuten, die gegen mich arbeiteten, und das eingeschränkte Wahlrecht, das wir nicht hatten ausweiten können. Wenn das Volk auf der Straße mitstimmen dürfte, könnte ich König sein, wenn ich wollte.
Und ich sage so etwas nicht leichtfertig.
Ich war nicht nur meinetwegen enttäuscht, sondern auch meiner Freunde wegen. Sie hatten sich sehr für mich ins Zeug gelegt – Camille natürlich und ganz besonders Fabre, für den ich als Einziger noch den Genius verkörpere, von dem er unser ganzes Zeitalter durchwirkt sah. Armer Fabre – aber er ist auf seine Art nützlich und fähig. Und er hat sich der Förderung Dantons verschrieben, was diejenige seiner Eigenschaften ist, die ich vor allen anderen schätze.
Ich hätte schon deshalb gern ein Mandat innegehabt, um mich ihnen erkenntlich zeigen zu können – ihnen zu helfen, ihre politischen Ambitionen zu verwirklichen und ihr Einkommen zu verbessern –, und ich glaube keinem, der sich schockiert darüber zeigt! Wie unsere Frauen sagen: Die nebenan machen es auch! Niemand strebt ein Amt an, wenn sich der Lohn nicht sehen lassen kann.
Nach den Wahlen ging ich für eine Weile nach Arcis. Gabrielles Kind kommt im Februar, da braucht
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