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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Ausdruck schmerzlicher Resignation huschte über sein Gesicht. Ich verstand ihn so gut. Bei Camille fühle ich mich manchmal ähnlich matt. Aber Camille muss man eines lassen: Er bringt einen noch in den trostlosesten Momenten zum Lachen. Selbst den Unbestechlichen – ja, ich habe es mit eigenen Augen gesehen, und Fréron sagt, er hat es ebenfalls gesehen: umziemliche Lachtränen, die über das Gesicht des Unbestechlichen strömten.
    Das soll nicht klingen, als wären Brissots Leute etwas so Geschlossenes wie eine Partei. Aber sie treffen sich häufig – Salonleben, das Übliche. Letzten Sommer kamen sie regelmäßig in den Räumen eines ältlichen Provinzlers namens Roland zusammen, so ein nichtssagender Bursche, der mit einer viel jüngeren Frau verheiratet ist. Die Frau könnte ganz annehmbar sein, wenn sie sich nicht so BERUFEN fühlen würde. Sie ist eine von den Frauen, die sich ständig mit jungen Männern umgeben und sie gegeneinander ausspielen müssen. Wahrscheinlich setzt sie dem alten Knaben Hörner auf, aber ich bezweifle, dass es ihr darum geht – es ist nicht ihr Körper, dem sie Befriedigung verschaffen will. Vermute ich zumindest. Aber zum Glück kenne ich sie kaum.
    Robespierre war öfter zum Abendessen dort, woraus ich schließe, dass es ein hochgestochener Haufen sein muss. Ich habe ihn gefragt, ob er viel zur Unterhaltung beiträgt; er sagte: »Ich spreche kein Wort, ich sitze nur in der Ecke und kaue mir die Nägel ab.« Er kann schon witzig sein, unser Max.
    Er kam Anfang Dezember zu mir, kurz nach seiner Rückkehr aus Arras. »Komme ich ungelegen?«, fragte er, besorgt wie immer, mit einem bangen Blick in unser Esszimmer, ob nicht jemand darin war, dem er lieber nicht begegnen mochte. Ich winkte ihn nonchalant herein. »Stört Sie der Hund?«
    Eilig nahm ich die Hand wieder an mich, die ich ihm auf die Schulter gelegt hatte.
    »Ich will ihn gar nicht überallhin mitnehmen«, sagte er, »aber er folgt mir einfach.«
    Der Hund – der die Größe eines kleinen Esels hat – legte sich zu seinen Füßen nieder, den Kopf auf die Pfoten gebettet und den Blick auf Robespierres Gesicht geheftet. Er war ein riesiges geflecktes Ungetüm, Brount mit Namen. »Das ist mein Hund von zu Hause«, erklärte er mir. »Ich dachte, ich bringe ihn mit, weil – nun ja, Maurice Duplay will, dass ich einen Beschützer habe, und es ist mir eine unangenehme Vorstellung, dass Leute hinter mir herlaufen. Ich dachte, der Hund …«
    »Ganz bestimmt«, sagte ich.
    »Er ist sehr wohlerzogen. Halten Sie es für eine gute Idee?«
    »Warum nicht«, sagte ich, »ich habe schließlich Legendre.«
    »Ja.« Er rutschte unbehaglich hin und her, der Hund spitzte die Ohren. Meine Ironie ist an Maximilien verschwendet. »Stimmt es, dass es ein Mordkomplott gegen Sie gab?«
    »Mehr als eins, wenn ich recht informiert bin.«
    »Aber Sie lassen sich dadurch nicht beirren, Danton. Das imponiert mir sehr.«
    Ich war erstaunt. Mit so viel Ehre hatte ich nicht gerechnet. Wir unterhielten uns ein Weilchen über seinen Besuch in Arras. Er erzählte mir von seiner Schwester Charlotte, die nach außen hin offenbar seine eifrigste Unterstützerin ist, privat dagegen sehr anstrengend sein kann. Es war das erste Mal, dass er mir gegenüber etwas Persönliches erwähnte. Was ich über ihn weiß, stammt alles von Camille. Aber jetzt, wo in Paris lauter neue Leute das Sagen haben, sieht er in mir vermutlich den alten Waffengefährten. Vielleicht hat er mir also die vielen unpassenden Scherze verziehen, die ich nach der Geschichte mit Adèle über ihn gemacht habe.
    »Und was halten Sie von der neuen Versammlung?«, fragte ich ihn.
    »Eine Verbesserung gegenüber der letzten ist sie wohl.« Sein Ton ließ die Begeisterung vermissen.
    »Aber?«
    »Diese Leute aus Bordeaux – sie haben eine sehr hohe Meinung von sich. Ich wüsste gern, was ihre Beweggründe sind.« Dann brachte er die Sprache auf Lazare Carnot, einen Militär, den er seit Jahren kennt und der jetzt in der Versammlung sitzt; Carnot ist der erste Soldat, den ich ihn je habe loben hören, und vermutlich auch der letzte. »Und Couthon«, sagte er, »haben Sie Couthon kennengelernt?«
    Allerdings. Couthon ist ein Krüppel, der von einem Bedienten in einem Stuhl mit Rädern herumgeschoben wird; wenn sie zu einer Treppe kommen, nimmt der Bediente ihn huckepack, und die Beine schleifen kraftlos hinterher. Irgendeine freundliche Seele trägt ihnen den Stuhl nach, der arme Mann wird wieder

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