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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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zurückgekehrt, sondern in Paris geblieben, wo er den Jakobinerclub neu aufbaute, die neuen Abgeordneten dazulud und sie mit dem Procedere der Debatten vertraut machte, die die der Versammlung begleiteten. Fleißig war er, das musste man ihm lassen, aber enttäuscht war sie dennoch von ihm.
     Sie hatte ihm am Tag des Massakers Nachricht geschickt, ihm ihre Wohnung als Versteck angeboten. Die Nachricht war ohne Antwort geblieben; später erfuhr sie dann, dass er bei einer Handwerkerfamilie untergeschlüpft war und nun dort wohnte. Sie hatte sich geprellt gefühlt, als der Moment der Gefahr ausblieb; in ihrer Fantasie hatte sie sich schon gesehen, wie sie einem Regiment die Stirn bot, wie sie der Nationalgarde heimleuchtete.
    Und auch die Geschicke M. Dantons und seiner Freunde hatte sie aus ihrem Exil mit einigem Interesse verfolgt. Welche Erleichterung, ihn in England zu wissen – sie hatte gehofft, er würde dort bleiben. Trotzdem hatte sie das Ohr am Boden behalten, und richtig, kaum zeichnete sich eine Amnestie ab, war M. Danton wieder da. Er besaß die Stirn, für die gesetzgebende Versammlung zu kandidieren, und mitten in einer Wahlveranstaltung (so hatte sie gehört) war ein Beamter mit einem Haftbefehl gegen ihn erschienen. Aber der Mob, der ihn offenbar bei sämtlichen seiner Auftritte begleitete, hatte den armen Mann mit Worten und Fäusten angegriffen und nach Abbaye gebracht, wo er drei Tage lang in der Zelle saß, die für Danton bestimmt gewesen war.
    Die Amnestie war erlassen worden, doch den Wahlmännern hatte der Unmensch gottlob nichts vorzumachen vermocht. Die Wunden seiner Niederlage hatte er in der Provinz geleckt – aber nun trat er an, um Stellvertretender Öffentlicher Ankläger zu werden. Mit etwas Glück würde ihm freilich auch das verwehrt bleiben; noch war es nicht so weit (hoffte sie), dass Frankreich von Verbrechern regiert wurde.
    Was die Zukunft anging … Es ergrimmte sie, dass das dumme Volk in Paris wieder König und Königin zujubelte, nur weil sie ihre Namen unter die Verfassung gesetzt hatten: vergessen die Jahre der Tyrannei und der Habgier, vergessen der Verrat auf der Straße nach Varennes. Für Manon stand fest, dass Louis gemeinsame Sache mit ausländischen Machthabern machte. Es wird Krieg geben, dachte sie, und wir wären dumm, wenn wir nicht den ersten Schlag führten. (Sie wendete den Stoff in ihren Händen, fuhr mit der Nadel durch eine Garnschlaufe, um einen Knoten zu machen.) Und wir müssen als Republik kämpfen, so wie Athen und wie Sparta. (Sie griff nach ihrer Schere.) Louis muss abgesetzt werden. Besser noch: getötet.
    Dann würde es ein für alle Mal vorbei sein mit der Adelsherrschaft.
    Und was für eine Herrschaft war das gewesen …
    Vor langer Zeit hatte ihre Großmutter sie einmal in ein Haus im Marais mitgenommen, zu einer Adligen, mit der sie bekannt war. Ein Lakai dienerte sie hinein; auf einem Sofa lagerte ein prachtvoll gewandetes altes Weib mit einem dummen, dick geschminkten Gesicht. Aus ihren üppigen Rockfalten sprang steifbeinig ein Hündchen auf und kläffte; die Alte gab ihm einen flüchtigen Klaps und wies ihrer Großmutter einen niedrigen Schemel zu. Aus irgendeinem Grund sprach man ihre Großmutter in diesem Haushalt mit ihrem Mädchennamen an.
    Manon selbst durfte stehen bleiben, stumm, mit glühenden Backen. Ihre Kopfhaut brannte noch von der Tortur, der ihre Großmutter am Morgen ihr Haar unterzogen hatte. Die alte Adlige rutschte in ihren Kissen herum. Ihre Stimme war schnarrend, herrisch und seltsam unkultiviert. Manon musste vortreten und knickste in ihrem steifen Sonntagskleid. Auch dreißig Jahre später hatte sie sich diesen Knicks noch nicht verziehen.
    Wässrige Augen musterten sie. »Ist sie fromm, hm?«, fragte die Adlige.
    Das Hündchen legte sich schnüffelnd wieder hin; über der Armlehne des Sofas lag eine alte Tapisserie. Manon schlug die Augen nieder. »Ich bemühe mich, meine Pflichten zu erfüllen.«
    Ihre Großmutter versuchte, auf dem harten Schemel eine bequemere Haltung zu finden. Die Dame zupfte an ihrem Spitzenhäubchen herum, als hätte sie einen Spiegel vor sich, dann richtete sie ihren harten Blick wieder auf Manon und begann ihr Fragen zu stellen, Schulbuchfragen. Als sie mit gesuchter Höflichkeit die richtigen Antworten gab, lächelte das Weib höhnisch. »Eine ganz Gescheite, wie? Glaubt sie, damit wird sie einem Mann gefallen?«
    Nachdem das Fragespiel ausgestanden war, bekam sie – noch immer

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